Immer mehr Führungskräfte entdecken die Themen Achtsamkeit und Meditation als probates Mittel, um ihre Arbeitsfähigkeit, Gesundheit und Lebenszufriedenheit zu stärken. Von Firmen im Silicon Valley bis in deutsche Unternehmen gibt es immer mehr Geschäftsführer und Führungskräfte, die regelmäßig meditieren und auch ihren Mitarbeitenden den Zugang zu einem Leben mit mehr Achtsamkeit ermöglichen möchten. Wissenschaftliche Studien belegen, dass Meditation und Entspannungsübungen durchaus positive Auswirkungen auf Konzentrationsfähigkeit und Produktivität haben. Nur wie können wir diese Übungen in unseren Alltag integrieren? Die wenigsten können sich im Tagesgeschäft für eine 30-minütige Meditation zurückziehen oder die Yogamatte ausrollen.
Eine Bekannte von mir, die Unternehmerin ist, erzählte, dass sie kurz vor einem Burnout stand und darauf kurzfristig entschieden hat, in Sri Lanka eine zweiwöchige Ayurvedakur zu machen. Was sich zuerst nach einem Urlaub mit Smoothies am Strand und Wohlfühlmassagen anhört war ihren Schilderungen nach eine sehr intensive Arbeit am eigenen Geist und Körper. Mich hat interessiert was es ihr im Nachhinein gebracht hat und wie sie das Erlernte im Alltag umsetzt. Denn diese Praktiken lassen sich häufig nur schwer oder nur mit ganz viel Disziplin umsetzen. Das bestätigte mir meine Bekannte. Ihr Fazit nach der Ayurvedakur war die lehrreiche Weisheit eines Mönches, der mit den Kurgästen meditierte: „Hört doch endlich auf zu glauben, dass ihr, wenn ihr jeden Tag eine halbe Stunde im Schneidersitz meditiert, keinen Stress mehr habt. Diese Meditation bringt gar nichts, wenn das Bewusstsein dahinter nicht stimmt. Lernt doch mal im Moment zu meditieren und nicht alles auf einmal machen zu wollen“.
Keine Zeit für Stressbewältigung
Menschen, die ein Burnout erlitten haben, bekommen während einer Kur oder eines Klinikaufenthalts zahlreiche Methoden zur Stressbewältigung gezeigt. Sobald sie wieder in ihrem Alltag angekommen sind, verfallen sie meist in alte Verhaltensmuster und schaffen es nicht, an den gelernten Instrumenten festzuhalten und sie in ihr tägliches Leben zu integrieren. Aber warum ist das so? Häufig meinen wir, wir haben keine Zeit oder anderes ist wichtiger.
In meiner täglichen Arbeit als Führungskräftecoach bin ich immer wieder mit dem Thema Stressbewältigung bei meinen Klienten konfrontiert. An erster Stelle steht häufig das Problem der mangelnden Fokussierung auf Wichtiges und Wesentliches. Auslöser dafür ist eine permanente Informations- und Reizüberflutung. Führungskräfte fragen mich daher sehr oft nach praktischen Tipps zur Stressbewältigung. Doch was ist im Alltag praktikabel? Nachfolgend möchte ich Ihnen ein paar kleine Übungen vorstellen. Sie sind ein erster Anfang, um Ihren Alltag etwas stressfreier und gelassener zu gestalten.
Finger weg vom Smartphone während der Autofahrt!
Schließen Sie ihre Augen und zählen Sie auf Drei. Das ist der gleiche Effekt, wenn sie beim Autofahren „mal eben kurz“ aufs Handy schauen. Mal ehrlich, haben Sie heute oder dieser Tage nicht auch mal beim Fahren auf Ihr Smartphone geschaut? Gar eine Kurznachricht getippt? Ich muss gestehen, ich war Experte darin, diesen Regelverstoß zu professionalisieren. Mit dem Ergebnis, dass ich in Flensburg gepunktet und zwei, drei Mal meine Brieftasche nicht unerheblich erleichtert habe… Meine Aufmerksamkeit galt nicht zu 100 Prozent dem Autoverkehr, da ich zu viel in den Moment packen wollte.
Was ist denn wirklich so wichtig, dass es während der Autofahrt per Mail beantwortet oder gelesen werden muss? Werden Sie sich dessen bewusst. Es bringt Ihnen weniger Stress.
Nachrichtendiät für mehr Aufmerksamkeit
Sie hören gerne Nachrichten im Auto, um immer informiert zu sein und hören auch gerne Musik, um sich abzulenken? Nachrichten bestehen zu 80 Prozent aus negativen Schlagzeilen. Das überträgt sich unbewusst auf unsere Gedanken, da wir immer wieder von Unfällen, Kriegen, Morden und Naturkatastrophen hören.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Sie sollen nicht aufhören, sich für die Geschehnisse in der Welt zu interessieren oder diese Themen komplett ausblenden. Versuchen Sie jedoch zumindest im Auto eine Nachrichtendiät zu machen. Hören Sie keine Nachrichten. Am besten lassen Sie das Radio aus. Warum? Nun haben Sie Zeit, aufmerksam Auto zu fahren, Ihr Umfeld wahrzunehmen, Ihre Umwelt zu sehen. Den schönen Herbstmorgen, das buntgefärbte Laub, einen kleinen Jungen, der gerade einer alten Dame über die Strasse hilft. Oder Sie nutzen die Stille, um im Geiste Ihren Tag durchzugehen und zu planen.
Start in den Tag mit Dankbarkeitsritual
Seit mehr als fünf Jahren übe ich regelmäßig Yoga. Das gibt mir Beweglichkeit und Kraft. Während der Yogastunde meditieren wir auch. Jedoch außerhalb der Yogastunden fiel es mir immer schwer, in die Konzentration zu kommen. Ich versuchte es morgens – und es ging nicht, abends hatte ich noch mehr Gedanken im Kopf. Ich versuchte es mit Achtsamkeitsübungen und diversen Mediationstechniken. Mein Gedankenkarussel war jedoch kaum zu stoppen.
Heute habe ich den für mich idealen Weg gefunden. Das erste, was ich morgens nach dem Aufstehen mache, ist, dass ich den Tag begrüße. Ich nenne das Dankbarkeitsritual, denn ich frage mich: Für was bin ich dankbar? Was ist mir gut gelungen und was habe ich gestern gelernt? Ich gehe quasi in eine Retrospektive (würden die Scrum-Manager unter Ihnen sagen). Dieses kleine Ritual dauert eine Minute und hilft mir gute Ressourcen für den bevorstehenden Tag anzuzapfen.
Big picture – So sieht mein erfolgreicher Tag heute aus
Des Weiteren möchte ich Ihnen eine wirkungsvolle mentale Kurzübung vorstellen. Sportler wie beispielsweise Bobfahrer oder der Motoradweltmeister Valentino Rossi gehen vor jedem Wettkampf die Rennstrecke im Kopf durch und stellen sich vor, wie sie gewinnen. Eine absolut wirksame Übung, die leider viel zu wenig Menschen nutzen. Letztlich geht es darum, sich positiv mit etwas zu beschäftigen und dem Gehirn „vorzugaukeln“, dass dies der normale Zustand ist. Wie ich das mache? Ich gehe jeden Morgen nach dem Dankbarkeitsritual in mich und stelle mir den Tag vor: wie ich einen Auftrag bei Kunden hole, wie ich ein schwieriges Gespräch, das ansteht, löse, wie ein Seminar super verläuft. 80 Prozent meines Tages sind genauso wie ich mir es vorstelle. Eine Quote, die sich sehen lassen kann, finde ich. Sie können das auch!
Sie können sich also bewusst den bevorstehenden Tag vorstellen, das Meeting in dem Sie überzeugen, das Mitarbeitergespräch, das gut läuft, den Kundentermin, den Sie gemeinsam mit dem Team durchführen werden, etc.
Verbesserte Konzentrationsfähigkeit durch Kurzmeditation
Kurzmeditationen helfen mir dabei, mich zu fokussieren und meine Konzentrationsfähigkeit zu verbessern. Dazu höre ich mir CDs an, die mich durch eine kurze Meditation von fünf Minuten führen. Sollten Sie keine passende CD finden, werden Sie auf youtube fündig. Die Zeit für die Kurzmeditation können Sie anhand einer kostenlosen App stoppen. z.B. „Meditation App“
Wenn Sie die Meditation nicht geführt machen möchten, dann hilft ein ganz einfacher Trick. Sie zählen während Sie atmen z.B. auf acht, dann auf acht zählen und halten und ausatmen und auf acht zählen. Wenn Sie diese Übung fünf Minuten durchhalten – was am Anfang sehr lange erscheint – dann garantiere ich Ihnen, dass sich nach drei Wochen Ihre Konzentrationsfähigkeit verbessert. Es geht am Ende darum, einfach mal fünf Minuten nichts zu denken und den Kopf frei zu bekommen. Probieren Sie es aus! Ich bin gespannt auf Ihre Erfahrungen.
Multitasking adé – Konzentration auf eine Tätigkeit
Wenn Sie mit einem Mitarbeiter sprechen oder eine E-Mail lesen oder telefonieren oder essen, dann machen Sie künftig nur noch eine Sache. Bitte telefonieren Sie nicht und essen gleichzeitig oder hören einem Mitarbeiter zu und denken bereits an den nächsten Termin. Ihr Gehirn wird somit permanent aus dem Jetzt herausgerissen und denkt irgendwann, dass das der Normalzustand ist. Prof. Joachim Bauer von der Freiburger Universität nennt das „Fragmentierung“, da wir nur noch Fragmente bewusst wahrnehmen. In Konsequenz sind wir dann eben nicht mehr in der Lage, uns auf Dinge zu konzentrieren oder den Fokus zu behalten. Das gilt übrigens auch, wenn Sie das nächste Mal im Supermarkt an der Kasse warten müssen. Lassen Sie das Handy in der Tasche. Gerade im Supermarkt haben Sie die Möglichkeit, beim Warten an der Kasse das Treiben um Sie herum zu beobachten und wahrzunehmen. Sie fragen sich, was Ihnen das bringt? Das ist eine wunderbare Trainingsfläche, um beispielsweise die eigene Kommunikation zu verbessern. Sie können folgendes beobachten
- Wie ist die Chemie zwischen den Menschen um Sie herum?
- Wie gehen die Menschen miteinander um?
- Wie ist ihre Körpersprache?
Genau das sind auch Themen, die sich im Mitarbeitergespräch erwarten.
Der Supermarkt sagt Ihnen nicht zu als Trainingsort? Dann lassen Sie eben im Café Ihren Blick schweifen oder das nächste Mal, wenn Sie im Hotel beim Frühstück sitzen und aufgrund Ihrer Nachrichtendiät nicht mehr auf Ihr Smartphone schauen und Zeit haben. Probieren Sie es aus!
All diese Übungen praktiziere ich seit Jahren, und sie haben mir geholfen, mich besser zu fokussieren, was wiederum meine Wahrnehmung und meine Aufmerksamkeit unglaublich geschärft hat. Dies hat meine Gesprächskompetenz, Zielerreichung und soziale Kompetenz weiterentwickelt.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Üben!