Das Feedback-Dilemma

Ein Mitarbeitender von Ihnen hält sich nicht an Vereinbarungen oder Vorgaben. Er ist ein schwieriger Typ Mensch. Der Gedanke an das Gespräch mit ihm löst bei Ihnen unweigerlich folgenden Gedankengang aus: Aller Voraussicht nach endet mein Feedbackgespräch in einer endlos langen Diskussion, in der zusätzlich kleine Probleme aufgebauscht werden – und am Ende ändert sich ja doch nichts…

Szenenwechsel: Eine Mitarbeiterin bringt schon das ganze Jahr konstant überdurchschnittliche Leistung. Sie bemerken das und schätzen sie dafür sehr. Sie möchten ihr das auch sagen, finden aber nie Zeit dafür. Und dann sind da noch die anderen Mitarbeitenden, die sich lauter melden. Die Mitarbeiterin ist ja „in der Spur“ und braucht (vermeintlich) weniger Aufmerksamkeit.

Beide Beispiele hätten dringend ein Feedback gebraucht! Obwohl Feedback zur Grundausstattung einer wirksamen Führungskraft gehört und es für die individuelle Entwicklung und Zufriedenheit aller Mitarbeitenden maßgeblich ist, geben Führungskräfte im Tagesgeschäft immer wieder zu wenig Rückmeldung. Viele Führungskräfte leiden an „Konsequenzinvalidität“, wie es Reinhard K. Sprenger nennt. Sie geben kein konsequentes Feedback, obwohl dies unerlässlich ist, um Mitarbeitenden Orientierung für ihr Handeln und Verhalten zu geben. Sie verwehren so den Mitarbeitenden eine Chance auf Wachstum. Ja, Sie lesen richtig! „Bekommen wir zu wenig Wertschätzung und zu wenig konstruktive Kritik, handeln wir so, als hätten wir eine Schlafmaske auf und würden dreimal im Kreis gedreht – erst orientierungslos, dann hilflos“, formuliert es der Professor für Wirtschaftspsychologie Nico Rose. Er führt aus, dass wir die Beobachtungen anderer brauchen, um einschätzen zu können, ob wir im Sinne des Unternehmens handeln. Die bekannte Gallup-Studie zitierte schon mehrfach wie wichtig Feedback ist und dass viele Mitarbeitende das Gefühl haben, zu wenig bis gar keines zu bekommen – kurzum sie fühlen sich alleine gelassen.

Corona wirkt gerade wie ein Brennglas und vergrößert das, was im Miteinander wichtig ist – unter anderem das Feedback. Das heißt, wenn nun kein oder ein mangelhaftes Feedback erfolgt, dann wirkt dies stärker nach. Denn insbesondere in Krisensituationen braucht Ihr Team verstärkt Rückmeldung von Ihnen, um seine Leistung einschätzen zu können sowie Orientierung und Sicherheit zu bekommen. In den vergangenen Monaten habe ich zahlreiche Gespräche mit Mitarbeitenden mittelständischer Unternehmen geführt. Und sie haben mir diese Aussage bestätigt.

Natürlich gehört es nicht unbedingt zu den Lieblingsaufgaben einer Führungskraft, kritisches Feedback zu äußern, aber es ist nun mal wichtig. Große Führungslegenden wir Peter Drucker oder Stephen Covey haben das bereits vor Jahrzehnten gepredigt. Mit kritischem Feedback können wir Verhalten und Leistung verstärken und Konflikte vermeiden. Verhaltensänderungen treten meist erst auf mittlere oder lange Sicht ein. Aus diesem Grund bringt Feedback in den meisten Fällen auch keine schnellen Erfolge, aber es ist ein wichtiges Entwicklungsinstrument.

 

Feedback – ein messerscharfes Führungswerkzeug
Warten Sie bitte nicht bis zum Mitarbeiterjahresgespräch. Nehmen Sie konsequentes Feedback künftig bitte als „messerscharfes“ Führungswerkzeug in Ihren Werkzeugkasten mit auf. Ihre Mitarbeitenden profitieren davon und für Sie ist es eine Art Gedankenhygiene, denn Sie schleppen die Themen nicht weiter mit sich herum.

Kurze Bedienungsanleitung für Ihr Führungswerkzeug:

  1. Begründen sie Ihr Feedback immer, z.B. „es ist mir wichtig, folgendes Thema anzusprechen, damit wir das Problem lösen können.“
  2. Geben Sie unmittelbar negatives Feedback, denn es bietet die große Chance, Verhalten zu ändern.
  3. Äußern Sie auch positives Feedback. Das hat nichts mit „Lobhudelei“ zu tun. Es hebt das Gute hervor, gibt Wertschätzung und schafft ein emotionales Erlebnis. Das ist wichtig für Wachstum, Freude, Entwicklung und Bestätigung des Mitarbeitenden.
  4. Verabschieden Sie sich vom sogenannten Sandwich-Feedback, d.h. eine kritische Nachricht zwischen zwei positive Botschaften zu verpacken, damit die negative Kritik besser verdaut werden kann. Auch wenn es ein Tipp ist, der oft auf Führungsseminaren gegeben wird, funktioniert dies leider nicht bei jedem Menschen. Wer selbstkritisch ist, hört nur das Negative, wer selbstsicher ist, hört nur die positive Nachricht. Und vor allem ist es für den Verstand verwirrend, wenn er zwei gegensätzliche Botschaften erhält.
  5. Fördern Sie bewusst die psychologische Sicherheit. Ob ein Feedback angenommen wird, hängt nicht nur von der Führungskraft ab, sondern ist auch davon abhängig wie sicher sich der Empfänger des Feedbacks in dem Moment fühlt. Achten Sie beispielsweise darauf, dass Sie Feedback in einer Umgebung geben, in der sich der Mitarbeitende wohl fühlt und zitieren Sie ihn nicht für das Gespräch ins „Chef-Büro“.