5 Fragen an Mike Fischer

1. Mit Bezug auf Ihr erstes Buch: Welche Regeln muss ein Unternehmer aus Ihrer Sicht brechen, um erfolgreich zu sein?

Arbeit ist in der Regel immer noch Mittel zum Zweck. Unternehmen werden immer noch zum größten Teil so geführt, dass Gewinnmaximierung der Unternehmensantrieb ist. Die Regel ist, dass in vielen Unternehmen kein Wertesystem vorhanden ist. Es wird gemacht, was Geld bringt, nicht, was glücklich macht. Die Regel ist, dass sich die meisten Mitarbeitenden mehr am Montag auf Freitag statt am Sonntagabend auf Montagmorgen freuen. Die Regel ist, dass wir vieles so hinnehmen wie es schon immer war. Auch die Frage des Wachstums im Unternehmen konzentriert sich allzu oft noch auf den Chef. Und es ist die Regel, dass nur drei Prozent aller Unternehmen eine funktionierende Ideenkultur haben. Das bedeutet, dass sich in der Regel die Mitarbeitenden gar nicht entfalten können. Mein Anliegen ist, diese Regeln, zumindest in meinen Unternehmen, zu brechen. Ich möchte ein glückliches Unternehmen mit motivierten Mitarbeitenden schaffen. Das ist zumindest mein Anspruch in meinem kleinen Unternehmen mit inzwischen 25 Mitarbeitenden in der Fahrschule und 15 in der Pizzeria. Das ist uns auch schon ganz gut gelungen. Wir waren früher eine Fahrschule wie es sie überall gibt. Heute gehören wir zu den umsatzstärksten Fahrschulen in Deutschland. Wir haben mit dem „Fischerdorf“ ein eigenes Dorf gegründet, in das Fahrschüler aus ganz Deutschland kommen, um innerhalb von einer Woche ihren Führerschein zu machen. Mit diesem Konzept bieten wir den Menschen einen Grund, zu uns zu kommen.

2. Auf was kommt es in diesen für viele Unternehmen schwierigen Zeiten ganz besonders an?

Grundsätzlich kommt die Frage zu spät. Ich wünsche mir, dass sich Unternehmer diese Frage heute schon für die nächsten schwierigen Zeiten, die nächsten Herausforderungen stellen. Unsere Unternehmen sind – und das hat die Coronakrise sehr deutlich gezeigt – extrem zerbrechlich. Sie sind wie ein dünnes Weinglas, das in tausend Scherben zerfällt, wenn Sie es fallen lassen. Nun werden einige sagen „Aha, es kommt wohl darauf an, mein Unternehmen robust zu führen“. Leider nein. Es reicht für künftige schwierige Zeiten nicht aus, ein dickes Bankkonto zu haben. Wir müssen unsere Unternehmen so denken und führen, dass sie aus der Krise doppelt so stark hervorgehen als sie es vorher waren. Nasrim Talep hat dafür den Begriff „antifragil“ erfunden. Antifragil ist das Gegenteil von zerbrechlich. Um es mit einer Metapher zu erklären: Eine Pusteblume, die zerstört wird mit ihren 200-300 Pollen, wird nach der Zerstörung 200-300 mal stäker als vorher. Insofern müssten wir unsere Unternehmen so aufbauen wie eine Pusteblume.Wir müssen rechtzeitig vor der Krise antifragil denken. Die Fischer-Academy ist beispielsweise eine Fahrschule, die abhängig von Fahrschülern ist. Auch wenn autonomes Fahren erst in zehn oder zwanzig Jahren passiert, braucht es dann keine Fahrlehrer und Fahrschulen mehr für Menschen, die Fahren mit Lenkrad und Pedal erlernen möchten. Mit Einführung des autonomen Fahrens wird es eng für unser Unternehmen. Was tun wir bereits heute, um in 50 Jahren als Fischer-Academy immer noch da zu sein? Letztes Jahr haben wir bei uns im Fischerdorf ein „Kompetenzzentrum für autonomes Fahren“ gegründet. Mir geht es nicht darum, Treiber der neuen Technologie zu sein, sondern jetzt schon zu erkennen, was in der nächsten Zeit passieren könnte. Jetzt ist es wichtig, bereits darüber nachzudenken, was in den nächsten, zehn, zwanzig oder dreißig Jahren „Schlimmes“ passieren kann. Und wie muss ich mich heute schon darauf vorbereiten. Denn wenn die Krise da ist, ist es in der Regel zu spät.

3. Es scheint, als ob in Ihren Unternehmen Innovation „auf Knopfdruck“ passiert. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis? Wie könnte das auch anderen Unternehmen gelingen?

Schaffen Sie im Unternehmen eine Kultur, in der die Mitarbeitenden frei von Hierarchien ihre Ideen umsetzen können. Innovation ist zwar keine Garantie für Erfolg, aber ohne Innovation ist Erfolglosigkeit garantiert. Bei uns nennen wir das „Umdenkfabrik“. Wir produzieren sozusagen in dieser Fabrik Augentropfen gegen die Betriebsblindheit. Wenn Mitarbeitende frei von Zwängen ihre Potenziale entfalten können, entstehen im Unternehmen Dinge, die Sie in keinem Businessplan vorhersehen können. Als Chef bzw. Führungskraft braucht es dafür natürlich viel Mut, um loszulassen. Klar geworden ist mir das nach einem schweren Unfall, den ich 1993 hatte. 12 Monate war ich vollkommen ausgeknockt. Als ich nach einem Jahr das erste Mal wieder im Rollstuhl in mein Unternehmen zurückkommen konnte, war ich etwas besorgt was mich erwartet. Denn 12 Monate hatte ich keine Entscheidung getroffen und war nicht vor Ort gewesen. Als ich wieder reinkam, lief das Unternehmen besser als davor und es arbeiteten Menschen dort, die ich noch gar nicht kannte. Da wurde mir klar, dass das Geheimnis „loslassen“ heißt. Meine primäre Aufgabe als Chef ist es, einen Ort zu schaffen, an dem die Mitarbeitenden ihre Potenziale entfalten können.

4. Sie haben „neun Wege zur Exzellenz“ formuliert. Das sind Handlungsaufforderungen und auch Werte. Wie gelingt es Ihnen, diese in der Praxis wirklich zu leben und auch alle Mitarbeitenden davon zu überzeugen?

Überzeugen oder motivieren kann ich niemanden. Die neun Wege zur Exzellenz sind meine Werte, meine Würde. Sich mit dem Thema des eigenen Wertesystems auseinanderzusetzen ist die Grundvoraussetzung für ein glückliches Leben. Denn wer glücklich ist, der macht Sachen aus dem Herzen heraus. Jedes Jahr zur Jahreszielplanung stelle ich mir die Frage nach meinen Werten und ermutige jeden Einzelnen im Team, sich ebenfalls die Fragen zu stellen. Was haben andere davon, dass es mich gibt? Was haben andere davon, dass es unser Unternehmen gibt?  

5. Was ist aus Ihre Sicht der stärkste Hebel, um Menschen zu führen?

Mitarbeitende wollen mehr als nur einen sicheren festen Arbeitsplatz. Sie möchten wachsen, bedeutsam sein und sich mit anderen verbunden fühlen. Die Aufgabe des Unternehmens ist es, dafür die Voraussetzung zu schaffen. Unternehmen sollten Potenzialentfaltung-Spielplätze für die Mitarbeitenden errichten bzw. erschaffen. 

Unternehmen sollten Mitarbeitende nicht mehr als „Versorgungsobjekte“ betrachten. Menschen die sich wie Objekte fühlen, werden nie ihre Potenziale entfalten können. Mitarbeitende werden heute noch als „Kosten“ in der Betriebswirtschaft geführt, wohingegen Maschinen Investitionen sind. In meiner Umdenkfabrik können Mitarbeitende Ideen einbringen. Jeder kann Ideen umsetzen wie er will. Es gibt allerdings gewisse Kriterien wie eine Idee umzusetzen ist. Bringt uns diese Idee weiter? Mit wem wird sie umgesetzt?, etc. Da gibt es konkrete Anforderungen, denen sich jeder stellen muss. Bei den Mitarbeitenden braucht es eine gewisse Zeit bis sie daran glauben, dass sie Dinge machen können. Gerald Hüther sagt, und das gefällt mir gut, „Unternehmer/Führungskräfte müssten die Mitarbeiter einladen, ermutigen und inspirieren neue Erfahrung mit sich, der Firma oder der Welt zu machen.“

Über meinen Gesprächspartner
Mike Fischer ist seit 1990 selbständiger Fahrschulunternehmer. 2002 gründete er die Fischer Academy GmbH mit einem Fahrschulinternat. Er ist Multiunternehmer, Querdenker, Autor und Redner, aber vor allem ein bodenständiger Herzensmensch.