5 Fragen an Hermann Scherer

Hermann Scherer ist Bestsellerautor und gefragter Vortragsredner. Kennengelernt habe ich ihn vergangenes Jahr bei einem seiner äußerst kurzweiligen Auftritte, die er mit vielen Beispielen aus seinem eigenen Leben garniert hat. Heimgegangen bin ich mit vielen Impulsen und Denkanstößen, um mein eigenes Tun kritisch zu hinterfragen. Mit Hermann Scherer habe ich über die drei wichtigsten Eigenschaften gesprochen, die eine erfolgreiche Führungskraft ausmachen, über die Definition von Glück und wie wir zu Glückskindern werden. Lesen Sie selbst.

1. Sie waren selbst Unternehmer im Einzelhandel. Was sind aus Ihrer Erfahrung die drei wichtigsten Eigenschaften einer Führungskraft, um erfolgreich wirken zu können – und warum gerade diese?

Ich glaube, dass die klassischen Eigenschaften für Führungskräfte häufig die sind, die immer in irgendeiner Form genannt werden, sei es Motivation, Vorbildfunktion und so weiter. Die sind sicher alle richtig. Sie sind mir manchmal jedoch zu selbstverständlich. Eine Hauptqualifikation kann durchaus auch sein, sich bewusst zu werden, ob man als Führungskraft überhaupt Führungskraft sein wollte. Ich kenne zu viele Menschen, die eine Führungsposition angestrebt haben, einfach weil es cool oder sexy ist, eine solche Position innezuhaben, sich aber nie gefragt haben, ob sie überhaupt gerne Menschen führen. Ich persönlich bin beispielsweise eher ein „einsamer Wolf“, der gar nicht so sehr  im Team oder in hierarchischen Strukturen arbeitet. Wenn man das erkennt und dann auch umsetzt, dann wird vieles – auch in der Führung – klarer. Ein Punkt, der häufig übersehen wird, ist, dass wir als Führungskräfte inspirieren sollen. Wir werden häufig motiviert und häufig angetrieben. Ich stelle gerne die Frage: Wann sind Sie das letzte Mal inspiriert worden? Und, vor allen Dingen, wann haben Sie das letzte Mal inspiriert?

2. Leistung = Potenzial minus Störfaktoren. Was heißt das für unseren täglichen Alltag? Gibt es eine Logik oder ein System dahinter, wie wir Störfaktoren überwinden können?

Wenn Leistung = Potenzial minus Störfaktoren heißt, dann heißt das, dass wir logischerweise alle ein großes, großes Potenzial haben, das häufig durch die Störfaktoren nicht vollkommen zum Vorschein kommt. Die Frage dabei ist nicht so sehr, ob es eine Logik oder ein System gibt, wie wir diese Störfaktoren überwinden können. Viel entscheidender ist doch, diese Störfaktoren erst einmal zu erkennen. Denn die meisten Störfaktoren haben sich als Gewohnheiten, Routinen, als scheinbar unumgängliche Selbstverständlichkeiten in unser Leben eingeschlichen. Dürfen wir eigentlich unsere Hemden selber bügeln, wenn wir was Größeres im Leben vorhaben? Dürfen wir eigentlich selbst Auto fahren, wenn wir dazu angetreten sind, die Welt zu verändern? Dürfen wir Dinge tun, die wir meistens mit einer großen Selbstverständlichkeit tun, weil wir sie tun? Oder sollten wir nicht sogar die Störfaktoren, von denen wir glauben, dass sie zu unserem Leben gehören, eliminieren, um wirklich unsere Lebenszeit im vollen Potenzial zu sein.

3. Sie sagen wir alle haben Chancen und großes Potenzial. Warum nutzen so viele Menschen diese Chancen nicht?

Chancen zu nutzen ist nur dann möglich, wenn wir die Chancen sehen. Das Sehen von Chancen lässt sich tatsächlich dann leichter ermöglichen, wenn wir erstens den Mangel sehen. Und zweitens, wenn wir die richtigen Bewertungsmuster zum Erkennen von Chancen auch nutzen. Dabei ist es für uns in der Regel sehr schwer, den Mangel anzuschauen, die Lücke anzusehen, da wir zu oft und zu häufig darauf trainiert wurden, eher positiv zu denken, die Dinge hinzunehmen wie sie sind und eben nicht mit einem negativen Blick auf die Welt zu schauen. Wer Chancen erkennen möchte, sollte jedoch genau das tun.

4. Lässt sich eine Kernaussage bilden, wie wir zu „Glückskindern“ werden können?

Glück ist einerseits ein Thema der Achtsamkeit. Kann ich achtsam das wahrnehmen, was ich habe? Andererseits ist Glück eine Überwindungsprämie. Wir wissen heute, dass wir immer dann glücklich sind, wenn wir uns überwunden haben, wenn wir etwas geschafft, etwas erreicht haben. Das aktive Glück ist das von uns am bewusstesten steuerbare Glück. Wer in Zukunft (noch) glücklicher werden will, der überwindet sich, schafft es! Möglicherweise mag das der Grund sein, warum so viele Menschen Dinge tun, die bei nüchterner Betrachtung sehr banal sind. Viele Freizeitbeschäftigungen gehören dazu. Nehmen wir nur einmal das Bergsteigen; es ist schon eine Überwindung all die Höhen hinaufzusteigen oder gar hinauf zu klettern. Und was machen die Menschen wenn sie oben sind? Sie machen eine Brotzeit und gehen wieder runter. Nüchtern betrachtet hätten sie auch unten bleiben können. Doch wo wäre dann die Überwindung und damit das Glück geblieben? Glücklos. Golfsport ist eine ähnliche Sache: Man versucht mit vielen Hölzern und Eisen – die erwiesenermaßen nicht die effizientesten Mittel sind, um einen Golfball zielgerichtet zu befördern – diesen Golfball über 17 Löcher in das 18. Loch zu bekommen. Es ginge einfacher: Man könnte mit dem Caddy gleich ans 18. Loch fahren, den Ball reinwerfen und ab ins Clubhaus. Die einen würden betrunken im Clubhaus sitzen und die anderen würden – da 18 Löcher überwunden – glücklich nachkommen. Glück ist eine Überwindungsprämie.

5. Je nach Unternehmensgröße und -struktur ist es für Mitarbeiter häufig schwer, chancenintelligent zu handeln. Vielen wird durch eingefahrene Strukturen der Wind aus den Segeln genommen, so dass sie mehr oder minder resigniert ihre Arbeit so ausführen „wie es schon immer gemacht wurde“. Haben Sie einen Tipp, wie diese Menschen trotzdem Chancen in ihrem Berufsalltag besser nutzen können?

Menschen können Chancen insbesondere dann im Berufsalltag besser nutzen, wenn man ihnen glaubhaft und das nicht per Aussage mitteilt, dass eine Fehlerkultur nicht nur erlaubt sondern gewünscht ist. Die meisten Unternehmen sprechen heute von einer Fehlerkultur und glauben eine zu haben. Aber sie haben keine Fehlerkultur, weil Fehler nach wie vor verpönt sind und bestraft werden. Dadurch haben Menschen nicht den Mut, Chancen zu nutzen. Erst wenn eine Unternehmenskultur aufzeigt, dass Fehler normal und gestattet sind, dann ist der erste Schritt dazu getan, um Chancen im Berufsalltag besser zu nutzen.