5 Fragen an Denys Scharnweber

1. Wie kam es, dass Du das Thema Herz bzw. Liebe in Deine Arbeit integriert hast?

Ich glaube, dass ohne Liebe alles nichts ist. Wenn man sich die Energiestrukturen anschaut, dann ist alles mit allem verbunden. Unser Körper, unsere Gedanken, unser Geist, unsere Gefühle und Emotionen. Unser Körper hat die Möglichkeit zu fühlen und Emotionen zum Ausdruck zu bringen. Das ist Energie in Bewegung. Diese Emotionen sind entweder für uns oder auch mal gegen uns, das heißt sie sind funktional oder dysfunktional. Ohne Emotionen gibt es keinen Ausdruck in dieser Welt. Damit wir in Balance bleiben, haben wir die Liebe. Die Liebe hat verschiedene Aspekte: Bedingungslosigkeit, Absichtslosigkeit, Wahrhaftigkeit, die Nächstenliebe, die Freude. Ohne Freude macht die Arbeit keinen Spaß. Auf die Führung bezogen heißt das, dass Menschen ohne Freude nicht folgen werden. Denn Liebe und Freude sind ein Pärchen, das heißt, wenn die Freude geht, geht die Liebe. Das kennen wir zum Beispiel beim Thema Hobbies. Wenn ich keine Freude mehr daran habe, Fußball zu spielen oder ein Instrument zu spielen, dann höre ich auf. Dasselbe gilt auch für Beziehungen und für Menschen in Unternehmen. Wenn sich Menschen in ihrem Job nicht wohlfühlen, sich nicht angenommen und gesehen fühlen und wenn sie kein Entwicklungspotenzial sehen, dann gehen sie.

Ich habe mich viele Jahre mit Kommunikation, Wahrnehmung und Sprache beschäftigt. Dabei ist mir aufgefallen, dass wir immer dann versuchen, alles rational zu erklären und zur Orientierung zu etikettieren, wenn die Liebe nicht enthalten ist. Zu der Schlussfolgerung bin ich gekommen, weil ich seit vielen Jahren meditiere und ich mich viel mit Energiesystemen beschäftigt habe. Wer den Kopf, das Herz, die Gefühle, die Emotionen und den Körper als eine Einheit sieht, wird in allem, was er tut, stärker und kräftiger sein.

2. Es scheint so, als hätten viele Führungskräfte ein Problem mit dem Wort „Liebe“ im Businesskontext. Warum ist das so? Wie hast du es geschafft, den Begriff der Liebe in die Berufswelt zu bringen?

Dass es mir gelungen ist, den Begriff Liebe in die Berufswelt zu transferieren, ist das Ergebnis von Überzeugungsarbeit. Menschen brauchen eine Erklärung. Wenn sie ein „Weil“ bekommen, dann hören sie Dir zu. Du kannst systemisch nicht einen Bestandteil aus der Einheit Kopf, Herz, Gefühle und Körper herausnehmen, denn der Mensch nutzt alle Facetten von Gefühlen, Sprache, Nähe und Liebe. Bereits jedes Baby benutzt alle Facetten. Im Alter von zwei Jahren entsteht bei Kindern die Unterscheidung von Ich und Du. Es entsteht ein Bewusstsein für Polarität. Dann beginnen sie zu unterscheiden, was gut und was nicht gut ist. Oft sagen uns in unserem Leben jedoch andere, was gut und was nicht gut ist. Menschen zeigen häufig nicht gerne Gefühle, weil sie Angst davor haben. Wer in der Vergangenheit Negatives erfahren hat, weil er Gefühle gezeigt hat, der lässt das künftig sein.

Unsere Welt ist gefangen in Regeln und Normen. Diese haben Menschen über viele Jahrhunderte eingeführt, um Menschen unter Kontrolle zu bringen. Regeln haben nichts mit Gefühlen zu tun. Und so gab es jahrhundertelang schlichtweg keinen Platz für Gefühle. Derzeit leiden in Europa über 38,5 Prozent der Bevölkerung unter einer Angststörung. Ängste gibt es viele: die Angst, nicht richtig zu sein, die Angst, nicht das Richtige zu tun, die Angst, nicht den richtigen Partner zu finden u.v.m. Wenn Du Deine Angst nicht zum Ausdruck bringst, dann bleibt sie in Dir, und das wirkt sich auf Deine Psyche aus. Dann bekommst Du beispielsweise Migräne, Rückenschmerzen, etc. Wenn du aber lernst, die Gefühle wahrzunehmen und auszudrücken, dann können sie aus dem Körper weichen. Das ist eine gesunde Eigenschaft. Allerdings wurde das Gesunde über Jahrhunderte aufgrund der Regeln nicht erlaubt. Wenn wir natürlich unnatürlich sind, können wir nicht natürlich sein?. Diese Zusammenhänge versuche ich Menschen auf einem ganz einfachen Weg zu erklären. Da ich das auch wissenschaftlich erklären kann, schenken die Menschen mir Gehör. In den vergangenen Jahren haben mich zahlreiche Unternehmen beauftragt, weil sie gesehen haben, dass diese Art zu führen und zu arbeiten dazu führt, dass Umsatz und Erträge steigen.

3. Du hast den Begriff „Heart-Leader“ geprägt? Was steckt dahinter und was macht ein Heart-Leader anders?

Ein Heart-Leader führt mit Herz. Dabei bedeutet Liebe aber nicht automatisch „lieb sein“. Wer Vater oder Mutter ist, weiß, dass man mit Konsequenz und Klarheit führen kann. Viele verbinden mit dem Wort Liebe direkt „weichgespült“. Das ist ein Trugschluss. Liebe ist eine Energie, die Dinge wachsen lässt. Sie ist bedingungslos und absichtslos. Nun versuchen Menschen aber, sie in eine Form zu packen und zu etikettieren. Das ist nicht möglich, weil Liebe ein Gefühl ist. Weshalb liebst Du Dein Kind? Weil es Dir morgens den Kaffee macht und die Schuhe bringt? Nein, weil es ist, wie es ist! Bei Liebe gibt es kein Weil. Die Liebe erlaubt Dir, in all Deinen Facetten zu leben und zu sein. Es ist eine Tatsache, dass ohne Liebe die Dinge zugrunde gehen. Du kannst dich beispielsweise auch mit Liebe ärgern. Dann nutzt Du Deinen Ärger dafür, dass Du nicht aufgibst, dass Du zwar ein Zielhindernis hast, aber weiterhin an der Sache dranbleibst. Hast Du aber keine Liebe in Dir, dann wird es dysfunktional und der Ärger richtet sich gegen Dich oder gegen andere – und dann hast Du Schuld im System. Wenn wir etwas mit Liebe tun, können wir über uns hinauswachsen. Wenn beispielsweise etwas im Außen passiert und die eigenen Kinder in Gefahr sind, entwickeln wir übermenschliche Kräfte, um unseren Nachwuchs zu retten. Hier verleiht die Liebe uns Kraft. Hast Du Angst ohne Liebe, dann hast Du subjektive Ängste. Dann leben Dich Deine Ängste und Du lebst Dich nicht. So verlierst Du Dich, weil Du meinst, dass Du durch Kontrolle alles im Griff hast. Doch das funktioniert nicht. Wer in Angst lebt, kann nicht in Freude leben. Wer in Angst lebt, kann nicht im Abenteuer sein. Wenn Du Liebe in Dir hast, dann kannst Du auch ins Abenteuer gehen. Wenn es um Entscheidungen geht, Deinen Weg zu gehen und Du hast keine Liebe in Dir, dann triffst Du Entscheidungen nicht für Dich sondern für andere. Das versuche ich, den Menschen in der Tiefe des Herzens näher zu bringen.
Last but not least: Mit Liebe bist Du nicht manipulierbar. Du machst Dinge nicht mehr für andere, obwohl Du das nicht willst. Du bist klarer, bewusster, gesünder.

4. Wie lässt sich dieser Ansatz in die tägliche Arbeit von Führungskräften integrieren?

Wenn Du Liebe lebst, bist Du wahrhaft und unterstützend. Wenn beispielsweise jemand sagt, er oder sie kann das nicht und in Dir kommt ein Gefühl hoch, dass Du ihm oder ihr helfen musst, dann bekommst Du bildlich gesprochen die ganzen Affen auf die Schultern gesetzt. Das heißt, Du machst für alle alles und Deine Mitarbeitenden merken das systemisch. „Super, dem kann ich das abgeben“. Das hat nichts mit Liebe zu tun. Das hat mit Bedürfnissen zu tun, die Du Dir selbst nicht befriedigen kannst. „Ich muss anderen helfen, um geliebt zu werden“. Wenn Du mit Liebe an die Sache drangehst, dann bist Du wahrhaft und überlegst, was dein Gegenüber gerade unterstützen kann. Das kann zum Beispiel eine gute Frage sein „Was hindert Dich daran, es zu können?“ Darauf erhälst Du entweder eine Antwort auf der Sachebene: „Ich weiß nicht, wie es geht“. Dann überlegt ihr, was es braucht, damit sie bzw. er die Aufgabe künftig allein lösen kann. Oder Du erhälst eine Antwort auf der emotionalen Ebene „Ich habe Angst.“ Dann bleibst Du auch hier in der Frage als Unterstützung und fragst, was man dagegen tun kann, damit das Gegenüber in der Selbstwirksamkeit bei sich bleibt und an sich arbeitet. Wenn derjenige an sich und seinen Ängsten arbeitet, diese überwindet und die Aufgabe löst, dann ist er intrinsisch stolz auf sich selbst und sieht, dass Du als Führungskraft für ihn da bist. So merkt die Person, dass sie Raum erhält, um sich zu zeigen und zu entwickeln. Und der bzw. die Mitarbeitende wird groß werden. Solltest Du allerdings merken, dass der- oder diejenige sich auf Deine Frage hin verschließt und die Schuld am Nichtkönnen bei anderen sucht, merkst Du, dass er oder sie keine Lust hat, sich den Themen zu stellen. Dann kannst Du als Führungskraft sagen „Ich nehme wahr, dass Du mit mir nicht wahrhaft bist. Du darfst für Dich überlegen, ob Du das änderst. Oder für uns ist hier der gemeinsame Weg vorbei.“ Wenn Du diese Kraft in Dir entdeckst, dann verfällst Du nicht in Deine Bedürftigkeit. Die meisten Menschen können ihr Leben nicht gut leben, weil sie ihre Bedürftigkeit nicht leben. Sie suchen dann Partner, einen Job oder Freunde, die für sie ihre Bedürfnisse leben, damit sie leben können. Das heißt, wenn ich meine Bedürfnisse nicht lebe, bin ich bedürftig. Wenn ich bedürftig bin, bin ich leider häufig ein Opfer. Denn andere Menschen sehen das und nutzen das aus.
Meine Aufgabe als Trainer ist es, Menschen aus der Bedürftigkeit zu holen, damit sie ihre Bedürfnisse leben und in einer Klarheit sind. Denn dann brauchen sie die Dinge nicht mehr abgeben, dann leben sie sich selbst. Dann sind sie in sich erwacht und lassen die Dinge nicht mehr über sich ergehen. Jeder Mensch kann nur durch sich selbst die Dinge lösen. Und das ist die Kraft und die Stärke, die ich anderen Menschen geben möchte.

5. Welche Botschaft möchtest Du Führungskräften in diesen Zeiten des Umbruchs mitgeben?

Ich würde mir wünschen, dass wir Leader haben, die wirklich vorangehen. Nicht andere sollen machen, damit ich mich als Leader fühle. Viele Menschen glauben, dass man mit Druck und Kontrolle Menschen führen kann. Das ist nicht möglich, denn das wird immer einen Preis kosten. Ein wahrer Leader ist klar und wach und geht voran. Ich würde mir von Leadern wünschen, dass sie sich mit den Bedürfnissen auseinandersetzen. Was ist ein Bedürfnis? Bedürfnisse sind Inspiration und Leichtigkeit, Durchsetzung und Einfluss, Harmonie und Geborgenheit, Ordnung und Stabilität. Ich würde mir wünschen, dass Leader sich fortbilden, damit sie die Bedürfnisse bei anderen Menschen erkennen und sehen, ob sie diese leben. Und wenn sie merken, dass sie selbst es noch nicht können, dann sollten Leader an sich arbeiten und vorangehen als Beispiel wie es anders geht. Als Leader bist Du da, aber Du übernimmst die Aufgaben nicht für die anderen. Du zeigst, wie es geht, aber Du lässt den Raum, dass der oder die andere die Aufgaben umsetzen kann. Natürlich müssen Leader auch Grenzen setzen können, aber mit Liebe und nicht mit Aggressionen. Ein Leader mit Herz ist ein Beispiel wie es anders geht und nicht jemand, der vorangeht und andere manipuliert. Wenn die Leader von morgen aus dem Herzen agieren, sind sie kraftvoll und stark. Das ist das, was wir brauchen.

Über Denys Scharnweber
Denys Scharnweber verfügt über 18 Jahre Erfahrung als Trainer, Coach und Dozent. Mehr als 15.000 Absolventinnen und Absolventen vertrauen bereits auf sein Trainer-Know-how. Mit über 30 Jahren Kampfsporterfahrung verbindet er in all seinen Trainings Körper, Geist und Seele. Durch exzellente Zertifizierungen der weltweit besten Trainer ist Denys Scharnweber heute einer der gefragtesten Lehrtrainer der deutschen Branche“.