5 Fragen an Betül Hanisch

1.  Die Grundidee vom Adolph Freiherr von Knigge war der gute Umgang miteinander. Was verstehen Sie über 200 Jahre später unter diesem Ansatz? Und welche Bedeutung hat der „gute Umgang“ im Business-Kontext – gerade für Führungskräfte?

Menschen untereinander wollen seit eh und je den anderen verstehen und verstanden werden. Sprache ist ein Signal von vielen, die sich austauschen zu wollen, denn gemeinsam sind die Überlebenschancen höher als alleine. Es macht das soziale Miteinander leichter, wenn ich die Sprache des anderen verstehe und dabei so wenig Missverständnisse wie möglich entstehen.

Ohne Adolph Freiherr Knigge persönlich gekannt zu haben, merken Sie schnell, wenn Sie in seinem Buch „Über den Umgang mit Menschen“ lesen, was seine Intention gewesen sein muss. Nämlich das Streben, den Umgang beziehungsweise den Zugang zu den verschiedenen Personengruppen und das Miteinander zu erleichtern. In seinem Buch beschreibt er wichtige Besonderheiten von zum Beispiel Eheleuten, Eltern, Kindern, Verliebten, Kaufleuten, die „Großen der Erde“ – Vornehme und Reiche, Geistliche und viele mehr. Sogar die Tiere werden von ihm thematisiert. Gleichzeitig gibt er Empfehlungen, was im Umgang mit ihnen zu beachten wäre, um Konflikte zu vermeiden und um ein leichteres Miteinander zu gewährleisten.

Nicht anders verhalten wir uns heute. Wir machen uns Gedanken, wie wir mit unseren verschiedenen Kundentypen und unterschiedlichen Mitarbeitenden am besten umgehen können, damit sie sich in der Zusammenarbeit mit uns wohl und wertgeschätzt fühlen. Vor allem machen wir uns Gedanken, wie wir schwierige Situationen angehen, um den Schaden so gering wie möglich zu halten, wenn nicht sogar bei einer schwierigen Situation das Vertrauen noch zu stärken, um längerfristig die Beziehung noch mehr zu festigen. Gerade Führungskräfte werden automatisch zu erfolgreichen Führungskräften, wenn sie in der Lage sind, Beziehungen zu ihren Mitarbeitenden stetig zu festigen, indem sie Vertrauen aufbauen. Denn alles, was dem Menschen vertraut ist, gibt ihm das Gefühl von Sicherheit – und mit Sicherheit wird ein Urinstinkt gestillt. Das Vertrauen ihrer Mitarbeitenden gewinnen Führungskräfte in erster Linie mit einem wertschätzenden Umgang, der spüren lässt, dass ihnen das Wohlergehen ihres Teams besonders am Herzen liegt. In Umfragen werden diese Führungskräfte immer auch als „sehr gute und beliebte Führungskräfte“ von ihren Mitarbeitenden bewertet.

 

2.  Welche Möglichkeiten haben Führungskräfte, Ihren Mitarbeitenden auch über digitale Kanäle wie Videokonferenzen, Mails und Whatsapp Wertschätzung zu geben?

Kostbare, jahrelange und sogar jahrzehntelange Geschäftsbeziehungen wahren ein Geheimnis in sich, welches das erfolgreiche Miteinander ausmacht: Die Beteiligten sprechen um ein Vielfaches mehr an Lob, Anerkennung und Komplimente aus als Kritik. Glauben Sie bitte nicht, dass Menschen, die erfolgreich miteinander arbeiten, sich nie kritisieren, Verbesserungsvorschläge machen oder ihren Ärger über eine Sache ansprechen. Das machen sie sehr wohl. Entscheidend ist das Verhältnis von Kritik und Lob in erfolgreichen Beziehungen (was im Übrigen auch für private Beziehungen gilt). Das Verhältnis zwischen Lob und Kritik sollte 5:1 sein, denn so lässt sich Kritik viel leichter annehmen und ist somit konstruktiv.

Die digitalen Möglichkeiten sind so vielfältig, dass es heute ein Leichtes sein müsste, den anderen mit Ihren wertschätzenden Worten zu erreichen. Welchen Kanal Sie dabei wählen, ist also zweitrangig. Wenn Sie natürlich den Lieblingskommunikationskanal des Gegenübers kennen, entscheiden Sie sich im Idealfall für „seinen Kanal“ und senden Sie Ihre wertschätzenden Worte über diesen. Wichtig nur, dass Sie überhaupt ein Sprachrohr wählen, damit Ihre wertschätzenden Gedanken auch in wertschätzende Worte umgewandelt beim Adressaten tatsächlich ankommen und nicht nur „nette Gedanken“ bleiben. Da fällt mir ein Spruch ein, der gut an dieser Stelle passt: „Machen ist wie wollen nur krasser.“

 

3. Wie können Führungskräfte über Distanz motivieren bzw. die Motivation aufrecht halten?

  • Loben Sie öfter mal, senden Sie anerkennende Worte, machen Sie ein geschäftliches Kompliment
  • Erwähnen Sie den Namen Ihres Mitarbeitenden im Gespräch
  • Bedanken Sie sich für eine Sache
  • Sprechen Sie über kurzfristige und längerfristige Ziele und Pläne, die Sie für das Unternehmen gesetzt haben. Sie brauchen selbstverständlich nicht alles kundzutun, was Ihre Vorhaben sind. Doch ganz ohne Informationen und Zukunftspläne an Ihre Mitarbeitende weiterzugeben, werden Sie dauerhaft niemanden auf Ihrer Seite halten können.
  • Je persönlicher die Kommunikation stattfindet – eine Videokonferenz mit Austauschmöglichkeit ist besser als eine Rundmail – desto wertvoller wirken Ihre Aussagen auf die Mitarbeitenden.

 

4.  Auf was sollten Führungskräfte im Umgang mit Ihren Mitarbeitenden generell stärker achten?



Zeigen Sie Ihre Wertschätzung mehr denn je. Kommunizieren Sie häufiger mit Ihren Mitarbeitenden als bisher. Gerade in Zeiten von Unsicherheit suchen Mitarbeitende den Dialog. Sie möchten das Gefühl vermittelt bekommen, dass sie an ihrem Arbeitsplatz einen Vorgesetzten haben, der „alles im Griff hat“ und „greifbar“ ist – erst recht in Zeiten, in denen die Distanz Teil unseres Alltags geworden ist. Was nonverbal auf der Strecke bleibt, braucht dringend einen verbalen Ersatz:

  • Verstecken Sie sich nicht in Ihrem Büroraum hinter Ihren Arbeiten. Gehen Sie auf Ihr Team zu und stellen Sie sich den Sorgen und Fragen Ihrer Mitarbeitenden. Geben Sie Terrain für einen Austausch, um auch Ängste aus dem Weg zu räumen, die vielleicht bei dem einen oder anderen Mitarbeitenden entstanden sind.
  • Das Lächeln ist hinter dem Mundschutz verschwunden – also sagen Sie öfter, was Ihnen gefällt oder worüber Sie sich freuen.
    Auch darf ein Lachen durch die Maske öfter laut hörbar sein als nur ein geräuschloses Lächeln.
  • Der Händedruck fällt weg. Zeigen Sie deshalb einmal mehr, dass Sie Ihre Mitarbeitenden wertschätzen, indem Sie sich etwas mehr Zeit nehmen für einen Smalltalk.

Wenn die Geschäftsbeziehung gefestigt ist, macht das gemeinsame Arbeiten noch viel mehr Freude, Kräfte werden gebündelt und Sie gehen alle gemeinsam in eine Richtung. Das führt unweigerlich zu noch mehr Erfolg. Es ist längst nachgewiesen, dass eine erhöhte Motivation bei Mitarbeitenden zu größerem Einsatz und Leistungsfähigkeit führt. Der Arbeitsplatz verwandelt sich zu einem Ort mit Wohlfühlatmosphäre – die Stimmung im Team ist spürbar positiv und gleichzeitig hoch motiviert. Und welcher Vorgesetzte geht nicht gerne täglich arbeiten in ein Umfeld mit positiv eingestellten und motivierten Mitarbeitenden?

 

5.  Gibt es ganz konkrete Tipps, die Sie anderen mitgeben, um die eigene Motivation noch stärker anzukurbeln oder vielleicht sogar gestärkt aus der Krise zu gehen?

Von Voltaire stammt das Zitat: „Da es sehr förderlich für die Gesundheit ist, habe ich beschlossen glücklich zu sein.“ Gerade diese ungewisse Zeit hat uns auch überraschend unerwartet gezeigt, wie gut es uns eigentlich geht. Was wir alles haben und wieviel mehr wir besitzen als notwendig. Weit über die Grundbedürfnisse des Menschen hinaus leben wir in prächtiger Fülle. Spätestens in diesen überwältigenden Zeiten haben wir die wahren Werte im Leben erkennen dürfen: Familie, Freunde, Frieden, Freiheit und vor allem Gesundheit – denn ohne sie ist alles nichts. Es ist Zeit, in Demut innezuhalten und dankbar zu sein.

Ich lebe in Dankbarkeit – das ist mein Hauptantrieb für Motivation. Wachen auch Sie jeden Morgen aufs Neue auf und entscheiden Sie sich fürs Glücklichsein. Seien Sie dankbar für Ihr Leben – das wird der Katalysator für Ihre Motivation.

Eines meiner Lieblingszitate stammt von Albert Einstein: „Es gibt viele Wege zum Glück. Einer davon ist aufhören zu jammern.“ Ich jammere nicht. Das ist eine Entscheidung, die ich getroffen habe. Probieren Sie es auch aus. Treffen Sie die Entscheidung, nicht mehr zu jammern oder zu motzen. Jammern und Schimpfen sind negative Emotionen, die die Motivation zunichte machen werden. Ändern Sie Dinge, die Sie ändern können statt darüber zu jammern. Und wenn Sie sie nicht ändern können, dann hören Sie auf zu jammern, weil das Jammern dann sowieso nichts bringt.

Das Leben meistert man mit Humor oder gar nicht. Ich lächle sehr gerne und auch sehr viel. Lächeln Sie das Leben an. Es geht Ihnen dann gleich viel besser. Sie schütten bei jedem Lächeln Glückshormone aus. Das Serotonin ist wie ein Lebenselixier – Sie sind gleich hochmotiviert und gehen die Dinge positiv an.

Menschen sind wunderbar. Ich liebe Menschen und ich bin gerne unter Menschen. Auch wenn es schwierige Situationen Im Zwischenmenschlichen gibt, stagniere ich nicht in meinem Ärger, sondern gehe auf die Suche, was diese Situation so aus der Bahn gebracht haben kann. Dabei gehe ich vom Guten aus und suche nach versöhnenden nächsten Schritten. Das hat bisher in meinem Leben gut funktioniert. Sehen Sie auch das Gute in den Menschen und wenn Sie nicht gleich fündig werden, gehen Sie auf die Suche. Sie werden bestimmt auch etwas finden.

Und zuletzt empfehle ich: Bleiben Sie wertschätzend – mit allen Menschen und vor allem mit sich selbst.

 

Über Betül Hanisch
Betül Hanisch ist mit ihrer Knigge-Schule „fast perfekt“ die Ansprechpartnerin wenn es um gute Umgangsformen im Business geht. Mit ihrer charmanten wertschätzenden Art ist sie ein wahrer Publikumsmagnet.