1. Was ist bei der Kommunikation im virtuellen Raum grundlegend anders?
Es beginnt bereits mit dem Händedruck am Anfang. Wenn ich jemanden im Raum begrüßen darf, dann drücken wir uns die Hände. Der Händedruck sagt viel aus. Diese körperliche Nähe im virtuellen Raum fehlt natürlich. Da ich ein Mensch bin, der den direkten persönlichen Kontakt sehr mag, fehlt er mir schon ein Stück weit. Menschen, die ich noch nicht kenne, lerne ich im virtuellen Raum anders kennen, aber auch das klappt gut.
Meiner Meinung nach kann man über digitale Meeting-Tools durchaus gut und nahbar kommunizieren. Allerdings muss die Kommunikation anders funktionieren als bisher. Wichtig ist, dass Sie darauf achten, dass Sie mehr Empathie in die virtuelle Kommunikation einbringen. Früher hat man Videokonferenzen für schnelle Absprachen genutzt. Aus diesem Grund waren sie sehr sachbezogen und kurz. Heute sollte bei Gesprächen mit Kolleginnen und Geschäftspartnerinnen unbedingt auch ein Zeitfenster für Small Talk eingeplant werden. Denn es ersetzt das gemeinsame Geschäftsessen oder die Gespräche an der Kaffeemaschine, die derzeit nicht stattfinden können. Und gerade diese Situationen schaffen eine gute Atmosphäre im Team oder zwischen Geschäftspartner*innen. Eine Frage wie „Wie geht’s Euch?“ sollte keine Floskel sein, sondern ernsthaft gestellt werden, und für diese Antworten sollten Sie auch ein Zeitfenster einplanen. Denn sonst werden die Teams, die nur virtuell miteinander kommunizieren, in der Zusammenarbeit Schwierigkeiten bekommen. Small Talk schafft Bindung und untermauert Beziehungen. Wir brauchen das, um gut arbeiten zu können. Im ersten Moment erscheint eine kurze sachbezogene Kommunikation sehr praktisch. Jeder bereitet sich im besten Fall gut vor und äußert seine Punkte. Aber nicht nur das ist Kommunikation. Es braucht auch andere Aspekte, um gut miteinander arbeiten zu können.
2. Es fehlt ja die Körpersprache, was Kommunikation schon mal schwieriger macht? Wie gehe ich damit um?
Ein Hauptproblem ist, dass wir uns im virtuellen Raum nicht richtig in die Augen schauen können. Wenn ich möchte, dass Sie den Eindruck erhalten, ich schaue Ihnen in die Augen, dann muss ich in die Kamera schauen. Dann schaue ich beim Sprechen aber nicht meinen Gesprächspartner an, sondern ich schaue weiter nach oben in die Kamera. Mein Eindruck war, dass ich in den ersten Meetings, die ich online gemacht habe, bewusst die Kamera genutzt habe, um die Teilnehmenden anzuschauen. Inzwischen fällt mir auf, dass ich das nicht mehr so ausgeprägt mache, da wir alle wissen, dass wir uns in die Augen schauen, wenn wir in Videokonferenzen nach unten blicken.
Ganz viele andere körpersprachliche Elemente, die wir haben, müssen wir auch im digitalen Raum nutzen. Von meinem Gesprächspartner sehe ich meist nur den Oberkörper. Seine Gestik sehe ich nicht, aber ich höre sie. Wenn ich meine Hände festhalte und so keine Gestik mehr habe, klingt meine Sprache weniger lebendig. Ich muss im Gespräch alles so tun, als ob ich leibhaftig vor Ort wäre: mich aufrecht hinsetzen, nicht rumlümmeln und Engagement zeigen. Auch sollte ich mich nach vorne beugen und dem Gegenüber in die Augen schauen. Indem ich meine Gestik einsetze, zeige ich Präsenz. Dann wirke ich engagiert und zugewandt. Wenn ich das nicht mache, wirke ich schnell desinteressiert, sehr sachlich und wenig lebendig und dann verliert die Kommunikation auch auf der nonverbalen Ebene viel. Der Einsatz von Gestik wird stark unterschätzt. Sie unterstreicht nicht nur den Inhalt. Durch Gestik wird unsere Stimme rhythmisiert und wir erhalten eine andere Betonung und eine größere Lebendigkeit. Das ist für die Kommunikation sehr wertvoll und fehlt häufig bei Videokonferenzen.
3. Welche praktischen Tipps können Sie für die verbale Kommunikation via Videoconferencing geben?
Auf der verbalen Ebene passieren im digitalen Raum immer wieder Verzögerungen und Unterbrechungen. Oder es sprechen zwei Teilnehmende gleichzeitig. Daher sollten Sie unbedingt eine Reihenfolge festlegen, wer wann spricht und im Anschluss eine Fragerunde anbieten, die per Chat geregelt wird. Wenn wir es gut machen, können wir sehr gut virtuell kommunizieren. Dafür braucht es unbedingt eine Vorbereitung durch Kommunikationsregeln und eine Organisation der Konferenz. Generell sind Videokonferenzen anstrengender als Besprechungen im direkten persönlichen Kontakt. Für ein erfolgreiches Online-Meeting sollten sich alle Teilnehmenden ihre Kernbotschaften im Vorhinein klar machen und diese stichwortartig notieren. Was möchte ich übermitteln? Was sollen die anderen Teilnehmenden auf jeden Fall mitnehmen? Die Kommunikation fällt leichter, wenn sich die Gruppen bereits kennen. Aber es lassen sich im virtuellen Raum durchaus auch Beziehungen und Bindung aufbauen.
Generell gilt: Je größer die Gesprächsrunde, desto diffuser wird die Kommunikation. Wenn wir möchten, dass sich die Teilnehmenden untereinander austauschen, also ein richtiges Gespräch zustande kommt, dann liegt die Obergrenze bei fünf Teilnehmenden. Bei 8-10 Teilnehmenden können wir noch auf jeden individuell eingehen und jeder kann noch jeden wahrnehmen. Ist die Gruppe größer, wird das Meeting zur Frontbeschallung. D.h. Sie informieren und geben einen klaren Input. Im Anschluss können die Teilnehmenden dann Fragen stellen.
4. Beim Sprechen mit Schutzmaske fällt auf, dass wir schlechter verstanden werden. Haben Sie praktische Tipps für eine bessere Verständlichkeit?
Die Maske macht die Stimme dumpfer. Deshalb haben es Männer noch schwerer als Frauen. Gerade die dunkleren Stimmen werden noch mehr rausgefiltert durch die Maske. Daher sollten wir beim Sprechen mit Maske den Mund weiter aufmachen als gewöhnlich. Denn je weiter wir den Mund aufmachen, desto präziser artikulieren wir. Als Zweites sollten wir unseren Fokus auf die Konsonanten legen und diese deutlich bilden. Der dritte Punkt ist etwas schwieriger, weil man es üben muss. Wir sollten versuchen, weiter vorne zu sprechen. Hierfür gibt es Übungen für die Artikulation, die sich insbesondere für Berufsgruppen anbieten, die viel und lange mit Maske sprechen müssen. Wir hatten beispielsweise kürzlich ein Seminar „Sprechen mit Maske“ für ein Beerdigungsinstitut. Denn die Mitarbeitenden müssen ihre ca. eineinhalbstündigen Beratungsgespräche mit den Angehörigen mit Maske führen. Da das Sprechen viel anstrengender ist, da die Menschen lauter sprechen müssen und mehr Aufwand betreiben müssen, um präziser zu artikulieren, braucht es dafür Übung und Stimmhygiene. Wichtig ist es, Sprechpausen einzulegen, zwischendurch viel trinken oder etwas lutschen.
5. Was macht für Sie professionelle Kommunikation aus?
Professionell kommunizieren impliziert für mich, dass ich ein klares Ziel habe, die Dinge auf den Punkt bringe und meine Gesprächsziele erreiche. Ich gehe mal davon aus, dass das die meisten Menschen machen. Mein Haupttipp wäre, vor jedem wichtigen Gespräch einen Fokus darauf zu legen, was die Zuhörer mitnehmen sollen. Das ist sehr hilfreich, sich vorher dazu Gedanken zu machen und die Kernaussagen herausarbeiten. Unter dem Stichwort Qualitätskommunikation liegt mir besonders am Herzen, Menschen beim Sprechen anzuschauen, wahrzunehmen, ganz da zu sein und nicht nebenher zu kommunizieren. Das lässt sich bereits morgens wunderbar üben, wenn Sie beim Bäcker einen Kaffee kaufen und bewusst mit der Verkäuferin mit Blickkontakt kommunizieren. Oder Sie überprüfen sich, ob Sie jedem Mitarbeitenden mit Blickkontakt „Hallo“ sagen oder einfach ein „Hallo“ in den Raum rufen. Achten sie darauf, authentisch, echt und achtsam da zu sein, präsent zu sein. Seit Jahren beobachte ich, dass dieses zugewandte Kommunizieren mehr und mehr verloren geht, da wir nicht mehr gezwungen sind, Blickkontakt zu haben. Wir heben unser Geld am Bankautomaten ab, kommunizieren über E-Mail, werfen unseren Einkauf auf das Warenband und haben dabei viel weniger direkte Kommunikation mit Blickkontakt. Das finde ich sehr schade. Für die Kommunikation wünsche ich mir, dass wir wieder mehr die Bereitschaft haben, uns mittels Mimik, Gestik und Blickkontakt auf den Gesprächspartner einzulassen und ihm dadurch Wertschätzung entgegenbringen.
Über meine Gesprächspartnerin
Ariane Willikonsky ist Diplom-Sprecherzieherin und Kommunikationstrainerin, Unternehmerin, Online-Coach und Beraterin. Sie ist Gast in vielen Landes-Talkshows und coacht neben zahlreichen namhaften Unternehmen unter anderem den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann.