5 Fragen an Nicola Fritze

1. Das Kernthema deines Online-Impulses war das „Silodenken“. Das ist ein Begriff, den ich schon oft negativ assoziiert von Führungskräften gehört habe, denn diese Art zu denken passt nicht mehr in die heutige Zeit. Was genau können Führungskräfte, Abteilungen oder Unternehmen tun, um das Silodenken aufzubrechen oder es gar präventiv zu verhindern?

Silodenken hat seinen Ursprung in der arbeitsteiligen Organisation des Taylorismus. Hier ging es darum, dass jeder nur einen speziellen Teil des großen Ganzen bearbeitet. Das steigerte Effizienz und Qualität. Es hat also durchaus Vorteile, Organisationen in kleine spezialisierte Einheiten einzuteilen. Doch das hat oft auch seinen Preis, vor allem dann, wenn die Mitarbeitenden den Blick für das ganze Große verlieren und jeder nur noch in seinem Silo denkt und handelt. Das geht auf Kosten von Engagement, Motivation und Produktivität gehen.

Was sind die ersten Anzeichen, dass es in den Abteilungen Silodenken gibt? Eine Führungskraft sollte bei abwertenden Aussagen wie zum Beispiel „Das Marketing versteht uns nicht“ oder „Der Einkauf hat keinen Plan, von dem, was wir hier machen“ hellhörig werden. Auch Moralisieren ist ein erstes Anzeichen für Silodenken. Zum Beispiel: „Wir sind die einzigen, die hier noch richtig arbeiten… Alle anderen sind bereits im Dornröschenschlaf.“ Wenn eine Führungskraft das wahrnimmt, dann ist es ein guter Zeitpunkt, miteinander zu sprechen. Hilfreich ist zu fragen „Wieso denkt ihr das?“ „Wie kommt ihr darauf?“ „Welche konkreten Anzeichen gibt es dafür, dass der Einkauf keine Ahnung hat?“ „Hat wirklich NIEMAND im Einkauf eine Ahnung?“ Und dann heißt es sehr wachsam zuhören wie eine solche Haltung in die Köpfe kommt.

Eine Präventivmaßnahme gegen Silodenken ist das Verständnis für die Arbeit und das teilweise andere Denken anderer Abteilungen. Hier sollten Führungskräfte genauso wie Mitarbeitende Offenheit entwickeln. Da hilft es zum Beispiel, mal einen Tag eine/-n Kolleg/*in einer anderen Abteilung zu begleiten, um so für „Crossover-Erfahrungen“ zu sorgen.

2. In Deinem Podcast sprichst Du darüber, wie wichtig es ist, seine eigenen Werte zu kennen. Aber viele Menschen können ihre Werte gar nicht benennen. Wie kann das gelingen?

Unternehmen beschäftigen sich immer mehr mit ihren Werten. Sie entwickeln Leitbilder, drucken sie in edle Broschüren und stellen sie auf die Webseite Das Problem ist: Häufig haben sie wunderbare Werte ausgearbeitet und formuliert, aber diese werden nicht im Unternehmensalltag gelebt. Das führt zu Frust. Wie schaffen Organisationen es, die Werte dann auch noch zu leben? Das ist die größte Herausforderung.

Um zu erkennen, welche Werte in einer Organisation (oder in einem persönlichen Leben) tatsächlich gelebt werden, frage ich im Coaching gerne nach wichtigen Entscheidungen, die in der Vergangenheit getroffen wurden. Denn hinter jeder Entscheidung steht ein Wert. Im persönlichen Bereich zum Beispiel: Warum habe ich mich damals für diese Ausbildung entschieden? Oder: Warum habe ich mich entschieden, in diese Stadt zu ziehen? Welches Motiv bzw. welcher Wert stand dahinter? In einer Organisation oder Abteilung frage ich zum Beispiel, welche strategischen oder personellen Entscheidungen in der Vergangenheit getroffen wurden. Die Antworten geben Hinweise auf die Werte, die ein Unternehmen lebt. Indem ich gezielt nach Entscheidungen frage, werden die gelebten Werte griffig.

3. Gerade die Coronazeit lädt uns ein, unsere Verhaltensmuster zu überdenken und auch vieles von der alten Welt loszulassen. Nur so einfach ist das nicht. Wie kann es gelingen, sich für Neues im Privaten und auch im Beruflichen, insbesondere als Führungskraft oder Unternehmer*in, zu öffnen?

Einer meiner Vorträge, der aktuell sehr häufig gebucht wird, hat den Titel „Loslassen ist das neue Anpacken“. Es geht darum, dass wir loslassen lernen müssen. Einer der Kernsätze daraus ist „Wenn ich loslassen möchte, brauche ich etwas, an dem ich mich festhalten kann.“ Das FestHALTEN, also das, was uns Halt gibt, sind unsere Werte. Es gelingt mir besser, etwas loszulassen, wenn ich weiß, dass es mir erlaubt, Werte stärker zu leben, die ich vielleicht in letzter Zeit vernachlässigt habe. Oder „Wie kann mir mein Wert zur Seite stehen in diesen turbulenten Zeiten, so dass ich mich sprichwörtlich daran ‚festhalten‘ kann?“

Als Führungskraft sollte ich mir zuerst verdeutlichen, wofür ich loslassen soll, wenn ich möchte, dass meine Mitarbeitenden loslassen, um sich auf etwas Neues einzulassen. Es braucht ein Ziel, das sinnvoll ist. Die Mitarbeitenden müssen verstehen, dass es auf den einen oder anderen Wert des Unternehmens einzahlt. Als zweites muss ich als Führungskraft dafür sorgen, dass die Energie da ist. Viele sind sehr erschöpft. Erschöpfte Menschen können nichts Neues erschaffen, denn sie sind im Funktionsmodus. Sie sind froh, die Nase gerade noch über Wasser halten zu können. Doch es braucht Energie, um etwas Neues anzupacken. Das ist die größte Herausforderung. Und das Dritte, was gerne vernachlässigt wird, das sind die Emotionen. Neues bringt Unsicherheit und Ängste: Verlustängste, soziale Ängste, etc. Diesen negativen Emotionen muss ich mich stellen.

4. Motivation ist ein Grundthema von vielen Führungskräften. Wie kann ich meine Mitarbeitenden nachhaltig motivieren, ist eine Frage, die auch mir häufig gestellt wird. Was entgegnest Du als Expertin auf dem Gebiet?

Der Titel meines Buchs sagt eigentlich schon fast alles: „Motivier dich selbst! Sonst macht es ja keiner.“ Natürlich kann ich als Führungskraft durch Incentives und Bonifikationen kurzzeitig meinen Mitarbeitenden eine „Möhre“ vor die Nase halten. Kurzfristige Motivation ist auf diese Weise möglich. Zumindest, wenn die Mitarbeitenden Möhren mögen. Für langfristige Motivation braucht es andere Mittel. Da reicht es nicht, wenn eine Führungskraft ab und an mit einer „Möhre“ winkt. Da geht es um die innere Haltung, die ich als Führungskraft habe und die auch die Mitarbeitenden haben. Viele Mitarbeitende denken „Meine Führungskraft muss mich motivieren“. Doch das ist ein Denkfehler, denn die Verantwortung dafür liegt bei jedem einzelnen. Wofür eine Führungskraft jedoch verantwortlich ist, ist einen Rahmen zu schaffen, damit Mitarbeitende ihre eigene Motivation selbst entwickeln und leben können.

Für mich gehören folgende drei Faktoren dazu, wie Führungskräfte Motivation fördern und aufrecht halten können.

  1. Gestaltungsmöglichkeiten
    Mitarbeitenden einen Rahmen geben, ihre Arbeitsprozesse weitestgehend selbst zu gestalten
  2. Feedback
    Mitarbeitenden immer sowohl positive als auch kritische Rückmeldungen geben
  3. Identifikation und Verbundenheit auf sozialer Ebene schaffen
    Mitarbeitenden Möglichkeiten geben, sich mit dem Team sozial zu verbinden

5. Wie motivierst Du Dich selbst, um schwierige Herausforderungen anzugehen und zu meistern?

Zum Glück kenne ich mich selbst mittlerweile so gut, dass ich genau weiß, was mir in solchen Situationen guttut. Mir hilft es immer, raus in die Natur zugehen und mich zu bewegen. Neben meinem Schreibtisch steht ein kleines Trampolin. Versuche mal demotiviert zu sein, wenn Du auf einem Trampolin hüpfst, Musik hörst und mitsingst. Es funktioniert einfach nicht (lacht).

Und noch ein Gedanke ist sehr wichtig für mich: Wenn du im Loch sitzt, höre auf zu graben! Mit anderen Worten: Wir können alles kaputt denken. Wir können uns aber genauso Dinge erzählen, die richtig guttun. Motivation ist eine Entscheidung!

6. Was ist der wichtigste Tipp, den Du mittelständischen Unternehmen mit Blick auf Leadership mitgeben möchtest?

Eine Führungskraft muss an erster Stelle lernen, sich selbst zu führen. Dazu gehören eine hohe emotionale Kompetenz und eine sehr gute Selbstreflexion. Selbstreflexion ist eine der wichtigsten Fähigkeiten einer Führungskraft. Auch sollte eine Führungskraft ein gutes Bild über eigene Stärken und Entwicklungsfelder haben und sich nicht scheuen, sich Unterstützung zu holen für die weitere eigene Entwicklung.

Über Nicola Fritze
Nicola Fritze ist ausgewiesene Expertin für das Thema Motivation; Kreativität und Wandel. Sie ist Mutmacherin und inspiriert als Speakerin und Beraterin dazu, neue Wege zu gehen, statt auf ausgelatschten Trampelpfaden auf der Stelle zu treten.