Jutta Rump ist Professorin für allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Internationales Personalmanagement und Organisationsentwicklung an der Hochschule Ludwigshafen. Darüber hinaus ist sie Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen (IBE). Laut Personalmagazin gehört sie zu den „40 führenden Köpfen des Personalwesens“ und zu den acht wichtigsten Professoren für Personalmanagement im deutschsprachigen Raum.
In zahlreichen Unternehmen und Institutionen ist Frau Prof. Rump als Projekt- und Prozessbegleiterin tätig. Sie ist Mitglied in diversen Organisationen auf Bundes- und Landesebene.
Mit ihr habe ich über die Arbeitswelt von morgen, Arbeitgeberattraktivität und die Personalherausforderungen der mittelständischen Unternehmen gesprochen. Lesen Sie selbst!
1. Zunächst eine ganz essentielle Frage. Was ist Employability überhaupt? Und wozu braucht ein Unternehmen diese?
Employability ist die Beschäftigungsfähigkeit über eine gesamte Lebensarbeitszeit hinweg, vom Berufseinstieg bis zum -ausstieg. Beschäftigungsfähigkeit in dieser Langfristigkeit bedeutet für ein Unternehmen, dass es eine Belegschaft hat, die in drei Dimensionen beschäftigungsfähig ist: Die erste Dimension ist der Bereich Kompetenz und Qualifikation. Die Mitarbeitenden haben das passende Know-how, um die Arbeit zu erledigen, die es heute und in Zukunft zu erledigen gilt. Die zweite Dimension ist Gesundheit und Wohlbefinden. Es reicht nicht, wenn ein Unternehmen eine Belegschaft hat, die kompetent aber leider nicht gesund ist, denn dann können die Mitarbeitenden nicht voll leistungsfähig arbeiten. Die dritte Dimension ist das Thema Motivation und Identifikation. D.h. wenn ein Unternehmen eine Belegschaft hat, die qualitativ gut arbeitet, die gesund ist aber keine Lust hat, die PS auf die Straße zu bringen und nur Dienst nach Vorschrift macht, dann fehlt die Motivation. Langfristig gibt es Motivation auf hohem Niveau nur dann, wenn sich die Belegschaft mit dem Unternehmen – der Arbeit, dem Arbeitgeber und den Kollegen – identifizieren kann. Die Identifikation mit dem Unternehmen speist das Konto der Motivation, was dazu führt, dass die Mitarbeitenden bereit sind, jeden Tag ihr Wissen und ihre Kompetenz einbringen. Das wiederum führt dazu, dass sie sich wohlfühlen und gesund bleiben. Employability Management wird ein wichtiges Arbeitsfeld für gute Arbeitgeber werden. Die Gruppe der Unternehmen, die nicht nur über Employability spricht, sondern etwas dafür tut, ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen, nicht zuletzt durch den herrschenden Fachkräftemangel.
2. Was sind aus Ihrer Sicht die Herausforderungen für Personalverantwortliche in Unternehmen, insbesondere im Mittelstand in Baden-Württemberg?
Die große Herausforderung ist, dass die Personalverantwortlichen Zukunft denken müssen. Sie müssen die Unternehmensleitung darauf aufmerksam machen, was gerade passiert und was in Zukunft passieren wird. Sie müssen bereits Lösungsvorschläge haben oder zumindest schon einmal das Thema bei der Geschäftsleitung und den Führungskräften platzieren. Sie müssen mit den Akteuren in einen Diskussionsprozess gehen und sie für den Erfolgsfaktor Personal sensibilisieren. Logischerweise müssen sie die neuesten Erkenntnissse und ein gemeinsames Konzept auch präsentieren, damit die Führungskräfte, die Geschäftsführung und die HR-Abteilung dann gemeinsam überlegen wie sie das Haus entsprechend gestalten oder auch umbauen wollen.
3. Welche Möglichkeiten hat denn z.B. ein Unternehmen tief im Schwarzwald, um als Arbeitgeber „attraktiv“ zu sein?
Grundsätzlich kann man nur das glaubhaft nach außen kommunizieren, was man stimmig nach innen lebt. Unternehmen sollten sich klar darüber werden, für was sie stehen. Was ist die Identität und die DNA des Betriebs? Und zwar aus der Sicht der Mitarbeitenden und nicht aus der Sicht des Eigentümers. Wenn ein Betrieb mit seinen Produkten wirbt, lockt das keinen potenziellen Mitarbeiter hinter dem Ofen vor. Unternehmen sollten sich fragen: Habe ich interessante Kunden? Wie sieht die Erfolgsstory des Betriebs aus? Warum arbeitet die Belegschaft in dem Betrieb? Würde sie das Unternehmen als Arbeitgeber weiterempfehlen? Und warum würde sie das tun? Diese Frage sollten Unternehmen ihren Mitarbeitern einfach stellen. Wenn Mitarbeiter dann beispielsweise antworten „Wir haben eine tolle Kollegialität und einen guten Teamgeist. Das Unternehmen ist erfolgreich. Wir sind der Arbeitgeber in der Region.“ Dann ist es genau das, was andere tatsächlich auch bewegen würde, das Unternehmen als potenziellen Arbeitgeber zu wählen. Und dann muss es der Betrieb schaffen, das Ganze nicht nur in einer Liste als Fakten aufzuführen, denn das lockt noch keinen an, sondern diese Aussagen in emotionale Botschaften zu verpacken. Das ist die Kunst. Emotionalität und Glaubwürdigkeit muss bei potenziellen Mitarbeitenden etwas auslösen, so dass diese sagen „Da will ich arbeiten“. Es sind weniger ausgeklügelte Arbeitszeitmodelle, etc., die Menschen bewegen, sich zu bewerben, sondern Aussagen eines Unternehmens wie „Wir versuchen, dass Du in Balance bleibst, dass Du ein schönes Privatleben in einer angenehmen Atmosphäre hast.“ Das berührt und bringt etwas zum Klingen.
4. Wie können kleine und mittelständische Unternehmen diesen wichtigen Themen begegnen, denn schließlich gibt es in diesen Firmen oft nicht die Ressourcen und Budgets wie in Konzernen?
Es ist Kreativität gefragt für neue Strategien. Ich nenne Ihnen ein Beispiel wie man kreativ sein kann, ohne dass es etwas bzw. nur ganz wenig kostet. Es gibt derzeit mehrere Unternehmen, die Probleme haben, IT-Spezialisten und Prozessingenieure zu bekommen. In einem Unternehmen hatte durch Zufall jemand herausgefunden, dass IT-Fachkräfte und Prozessingenieure überdurchschnittlich häufig Heavy-Metal-Fans sind. Das Unternehmen hat sich daraufhin gefragt, ob das vielleicht in der Region und in dem eigenen Betrieb genauso ist und hat ein bisschen recherchiert. Mit dem Ergebnis, dass das stimmt. Das Unternehmen hat daraufhin bei den Stellenanzeigen geschrieben, dass es unter qualifizierten Bewerbungen zehn Tickets für das Wacken Open-Air verlost. Das Unternehmen ist überschüttet worden mit qualifizierten Bewerbungen und hatte gar keine Probleme mehr, die Stellen zu besetzen. Das ist Kreativität. Ich möchte damit sagen, dass erfolgreiche Maßnahmen nicht teuer sein müssen. Das kann auch bedeuten, dass der Unternehmer, der vielleicht 65 Jahre alt ist, in dem Bereich nicht der Kreativste ist, aber vielleicht der Azubi, der 18 Jahre alt ist, kombiniert mit dem Entwicklungsingenieur, der 30 Jahre alt ist und der Sekretärin, die 45 Jahre alt ist.
5. Mit Blick auf morgen wie sieht für Sie Führungswelt 4.0 aus? Und welche veränderten Anforderungen gibt es an die Führungskräfte, die in dieser Welt leben?
Klar gibt es eine extreme Veränderung bei den Anforderungen an Führungskräfte. Führungskräfte müssen ein großes operatives Tagesgeschäft im Blick haben, sie müssen strategischer Partner sein, Werte bewahren, Personalentwickler und Coach sein. Sie müssen die Mitarbeiter in Balance halten. Sie müssen Entscheidungen fällen und auch mal revidieren. Und es werden täglich mehr. Dass „eine Führungskraft entscheidet“ funktioniert nicht mehr. In einer Welt, in der an Führungskräfte so viele Anforderungen gestellt werden, kombiniert mit der rasanten Veränderungsdynamik, muss man darüber nachdenken, diese Verantwortlichkeiten auf mehrere Schultern zu verteilen. Führungskräfte müssen in Zukunft lernen, kooperativ zu führen und auch ein Stück weit zu partizipieren. Führungskräfte brauchen ein hohes Maß an Methodenwissen und Sozialkompetenz. Das ist ein verändertes Mindset, das berücksichtigt werden muss.