5 Fragen an Boris Grundl

Kennen Sie die kleinen Sahnehäubchen, die Ihren beruflichen Alltag versüßen und Sie über so manch anderes  hinweg blicken lassen? Das Gespräch, das ich mit dem Führungsexperten, Top-Speaker und Sachbuchautoren Boris Grundl führen konnte, gehört für mich definitiv in die Kategorie “Sahnehäubchen”. Denn bereits seine Bücher haben mich sehr beeindruckt und ihre Inhalte haben großen Einfluss auf meine Arbeit als Führungskräftetrainer und -berater. Als scharfsinnigen Trainer habe ich Boris Grundl erst kürzlich in einem seiner Seminare erlebt. Deshalb freue ich mich, dass ich ihn als Gesprächspartner für einen intensiven fachlichen Austausch zum Thema Führung gewinnen konnte. Seine Botschaften sind klar, einleuchtend und inspirierend. Lesen Sie selbst.

1. Herr Grundl, was ist Ihrer Meinung nach derzeit die größte Herausforderung für Führungskräfte?
Wir leben in einer Zeit der Veränderung. Früher, zu Zeiten der großen Industrien, gab es wenige mächtige Menschen, die sehr viel gesteuert haben. Immer wurde nach dem “Macher” gerufen, der die Dinge regelt und sagt, wo es lang geht. Je mehr Menschen diese Macher um sich geschart hatten, desto charismatischer wurden sie.

Doch Tempo, Transparenz und Komplexität haben rasant zugenommen. Die Geschwindigkeit in der Weltwirtschaft ist zwischenzeitlich eine ganz andere. In immer kürzeren Abständen bedarf es Produktanpassungen für bestimmte Zielgruppen, Neuausrichtungen, etc. Das erzeugt jede Menge Druck, den wenige Mächtige nicht mehr bewältigen können. Es ist heute überlebenswichtig, die Macht zu verteilen. Diese notwendige Machtverteilung hat zur Folge, dass die Hierarchien flach werden. So gibt es nicht mehr nur den einen Macher, sondern es entstehen Führungsriegen in Unternehmen.
In der Dynamik der Veränderung liegen die Antworten zur Menschenführung. Eine Führungskraft muss – je nach Situation – mal auf den Tisch hauen, aber auch flexibel und smart das Ego hinten anstellen können, wenn jemand mehr Kompetenz hat. In einem Moment hat die Führungskraft das Heft fest in der Hand, in einem anderen lässt sie sich von einem kompetenteren Mitarbeiter führen, da diese Vorgehensweise zielführender ist. Dafür ist geistige Flexibilität seitens der Führungskraft nötig. Das Ziel einer Führungskraft ist es, das Einverständnis der Menschen zu bekommen, sie zu entwickeln.

2. In Ihren Seminaren und auch in Ihrem aktuellen Buch “Mach mich glücklich” sprechen Sie von der notwendigen Selbstverantwortung der Führungskräfte. Was genau meinen Sie damit?
In unserem vorherrschenden Denken liegt die Verantwortung vollständig bei der Führungskraft. Sie muss immer vorweggehen alles vorleben und darf nicht im Weg stehen. Sie hat immer Verantwortung. Das ist ein drastisch überzogenes Bild von Führung. Aufgrund unserer ‘Erbbelastung’ im Denken sind wir Deutschen im Hinblick auf Führung hochkritisch. Ich meine aber, dass nicht die Führungskraft alleine die volle Verantwortung trägt, sondern dass sich die Verantwortung zu gleichen Teilen auf Mitarbeiter und Führungskraft verteilt. Mich überzeugt dieses Modell immer mehr. Denn auch Mitarbeiter tragen Verantwortung und haben Einflussmöglichkeiten. Das innere Bild ‚Alle Verantwortung liegt bei der Führungskraft‘ drängt die Mitarbeiter in eine passive Opferhaltung, die der Unternehmensentwicklung nicht zuträglich ist. Denn indem die Mitarbeiter die ganze Verantwortung bei der Führungskraft sehen, schwächen sie sich unnötig selbst. Egal ob in Gesellschaft, Familie und Beruf: Menschen tragen immer eine Teilverantwortung. Wem ein gesundes Maß an Verantwortung gelingt, der wird leistungsfähiger und lebt erfüllter.

3. Führung ist ein Handwerkszeug, das erlernbar ist. Auch diese Aussage habe ich schon von Ihnen gehört. Wie wichtig ist für die Wirksamkeit von Führung die Persönlichkeit einer Führungskraft?
Ich vergleiche die Persönlichkeit gerne mit einer Welle, die ein Schiff trägt. Ich veranschauliche dies an dem Beispiel eines Zahnarztes. Im Studium der Zahnmedizin wird das handwerkliche Können geschult. Es wird aber nicht geprüft, ob der Studierende auch das Zeug zu einem Heiler hat. Eine intensive Arbeit am Schiff, also dem beruflichen Handwerkszeug, wirkt sich auf die Trägerwelle, die Persönlichkeit aus. So kann sich im Beispiel der Zahnarzt als reiner Techniker zum Heiler von Menschen entwickeln.

Führung muss so organisiert werden, dass sie ganz normale Menschen ausüben können. Indem eine Führungskraft das Handwerkszeug für wirksame Führung erlernt, wirkt sich das Erlernte auch auf die Persönlichkeit aus. So wird der transformatorische Prozess angestoßen.

Die Persönlichkeit hat immer eine Wirkung auf die Kommunikation. Und erst durch Emotionen wird Führung wirksam. Meines Erachtens wird die Kraft von Emotionen in der Führungsarbeit noch nicht genug genutzt. Hier steckt noch großes Potenzial, das sich entwickeln lässt.

4. Was sind für Sie die wichtigsten Aufgaben einer wirksamen Führungskraft?
Für mich gibt es fünf zentrale Aufgaben. Erstens Menschen zu fördern, das heißt, sie so zu behandeln, dass sie stärker werden und bessere Ergebnisse erzielen. Zweitens den Unternehmenszweck erfüllen: Primäre Aufgabe ist es, die Unternehmensidee umzusetzen und am Ende damit Profit zu erwirtschaften. Dabei gehen menschliche Entwicklung und wirtschaftlicher Gewinn Hand in Hand. Drittens Systeme schaffen: Wie mache ich mich als Führungskraft überflüssig, während die Ergebnisse besser werden? Viertens Delegieren: Die Führungskraft muss in der Lage sein, Aufgaben so zu übergeben, dass sie mit der Qualität dessen, was zurückkommt, zufrieden ist.

Und last but not least Kontrolle: Je mehr eine Führungskraft Kontrolle als Hilfe zur Zielerreichung versteht, desto mehr schätzen es die Mitarbeiter, kontrolliert zu werden.

5. Auf eine Kernaussage reduziert: Was geben Sie Führungskräften mit auf den Weg, um bessere Ergebnisse zu erzielen?
Was ich mitgebe, ist die Antwort auf die Frage: Wie mache ich mich überflüssig, während die Ergebnisse besser werden?