5 Fragen an Bodo Janssen

Als Geschäftsführer der Upstalsboom Hotels und Ferienwohnungen verfolgt Bodo Janssen
ein einzigartiges Konzept: Die Führungskräfte und ihre Mitarbeiter sind dazu aufgefordert, ihre Persönlichkeit zu entfalten und bewusst die eigenen Stärken auszuleben.

1. Ihr Bild hat sich gewandelt von der „Wertschöpfung durch Ausnutzung“ zur „Wertschöpfung durch Wertschätzung“. Was war der Auslöser für den Wandel?
Denn Gewinne wurden im Unternehmen ja erwirtschaftet?Auslöser für den Wandel war das Ergebnis einer Mitarbeiterbefragung, bei der meine Person als Führungskraft sehr stark kritisiert wurde. Das war erst mal ein herber Schlag, denn Lösungsansätze wusste niemand. Diese Situation war Anlass für mich, mich eingehend mit dem Thema Führung und meiner Rolle zu beschäftigen. Über anderthalb Jahre besuchte ich regelmäßig Führungsseminare bei Pater Anselm Grün in einem Benediktiner-Kloster. Die zwei Sätze „Führung ist eine Dienstleistung und kein Privileg“ und „Nur wer sich selbst führen kann, kann andere führen“ brachten mich zum Nachdenken. So habe ich mich eingehend damit beschäftigt, welche Voraussetzungen ich brauche, um mich persönlich zu führen und erarbeitete mein persönliches Leitbild mit Werten, die mir wichtig sind.

2. Was bedeutet in Ihrem Verständnis wirksame Führung?
Führung bedeutet, Leben zu wecken und zu ermöglichen, die Mitarbeiter dabei zu unterstützen, herauszufinden, was sie begeistert, was Freude bereitet und wo ihre Talente liegen. Viele Führungskräfte interpretieren Führung als „Menschen zu etwas bewegen, was sie nicht wollen“. Mein Verständnis von Führung ist „leading by meaning“, das heißt auch über den Unternehmenszweck hinaus zu agieren. Jedes Unternehmen hat die Möglichkeit, neben dem eigentlichen Unternehmenszweck etwas Sinnhaftes zu tun. Gerade die jüngere Generation hat einen anderen Anspruch an ihre Arbeit. Arbeit soll nicht mehr nur Dienst nach Vorschrift sondern auch Sinnstiftend sein. So unterstützen wir bei Upstalsboom den Bau von Schulen in Ruanda. Der Anreiz für die Mitarbeiter ist es, gemeinsam etwas mitzugestalten und mit dem Schulbau ein gemeinsames Ziel zu haben. Soziales Engagement durch alle Hierarchieebenen eines Unternehmens gelingt dann, wenn Geschäftsführung und Führungskräfte das Engagement vorleben. Wichtig ist es, Mitarbeiter zu integrieren.

3. Sie sprechen von „weg von der Ressourcenausnutzung hin zur Potenzialentfaltung“. Wie lässt sich diese Haltung ganz praktisch und vor allem konsequent in die Praxis umsetzen?
Früher haben wir Entscheidungen zugunsten von Ausschüttungen getroffen, auf Kosten von Nachhaltigkeit, der Substanz und der Mitarbeiter. Heute gehört zu unserem Unternehmensleitbild die Persönlichkeitsentwicklung. Hier gebe ich Ihnen ein aktuelles Beispiel. Zehn Auszubildende unseres Unternehmens bereiten sich derzeit auf eine gemeinsame Besteigung des Kilimandscharo im Januar 2016 vor. Seit Monaten machen sie sich fit und trainieren für diese Tour. Die Vorbereitung der Reise sowie die gemeinsame Bergtour sind ein winziger Beitrag zur Entwicklung des Lebens jedes einzelnen. Ich möchte die jungen Menschen ermutigen, sich vom Alltag zu lösen, sich Herausforderungen zu stellen und die eigenen Grenzen kennen zu lernen, und sie möglicherweise zu überwinden. Hier geht es um Selbsterfahrung und Potenzialentwicklung. Denn jeder Teilnehmer bringt seine ganz eigenen Voraussetzungen mit und wird auf dieser Wanderung über sich hinauswachsen. Das Projekt ist meine Vision von glücklichen Menschen. Das klingt erst mal sozialromantisch und altruistisch, aber die Aktion sorgt auch für große Aufmerksamkeit. Ein Fernsehteam und ein Radiomoderator werden die Gruppe begleiten und über die Reise berichten. Auch ein Buchprojekt ist in Planung. Insofern wird der Return on Investment in die Potenzialentwicklung unserer Auszubildenden für das Unternehmen enorm sein. 
Es sind die Menschen, die Gewinn erwirtschaften. In den vergangenen Jahren hat sich bei uns nicht die Arbeit geändert, sondern die Haltung unserer Mitarbeiter dazu. Wer als Mensch wahrgenommen wird und von seinem Arbeitgeber Wertschätzung erfährt und eingebunden wird, arbeitet motivierter, eigenständiger und verantwortungsbewusster.

4. Wie erreiche ich mit dem Ansatz über die Führungskräfte hinaus die Basis, also die Facharbeiter?
Menschen übernehmen das, was ihnen vorgelebt wird und nicht das, was sie hören. Aus diesem Grund müssen Werte und Unternehmensleitbilder gelebt werden. Nachdem ich bei Upstalsboom mein persönliches Leitbild entwickelt hatte, habe ich zwei Jahre lang mit meinen Führungskräften gearbeitet. Jede Führungskraft hat ihr persönliches Leitbild entwickelt. Bei der Erarbeitung der eigenen Werte hatten ein paar Führungskräfte die Selbsterkenntnis, dass sie in ihrer derzeitigen Position eine Rolle spielen und nicht sie selbst sind. Die Konsequenz dieser Erkenntnisse war, dass sie ihren Job kündigten und in einen anderen Tätigkeitsbereich wechselten. Im Rahmen unseres Paradigmenwechsels haben wir so rund zehn Prozent der Führungskräfte verloren, da der neu eingeschlagene Unternehmensweg nicht (mehr) zum persönlichen Leitbild passte. Das sind Begleiterscheinungen, die so ein Wandel mit sich bringt und die dazu gehören. Prozesse scheitern häufig daran, dass man Erkenntnisse nicht annimmt. Der Jobwechsel einiger Führungskräfte war die natürliche Konsequenz nach der intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit, der persönlichen Werte und des eigenen Leitbildes. Zuvor hatten sie sich auf einen Weg mit offenem Ausgang begeben.
Im Anschluss an die Arbeit mit den Führungskräften haben wir die übrigen Mitarbeiter eingebunden und gefragt, welche Werte für jeden einzelnen wichtig sind. Aus den Ergebnissen haben wir dann ein Unternehmensleitbild erarbeitet. Dieses ist von innen heraus entstanden, so dass sich jeder damit identifizieren kann. Anreiz war, dass jeder einzelne aktiv mitgestalten konnte, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Denn wichtig ist es, Mitarbeiter zu integrieren anstatt sie nur abzuholen.

5. Wie bringe ich den Ansatz „Wertschöpfung durch Wertschätzung“ an Mitarbeiter, die eher rational ticken oder eher an Ergebnissen orientiert sind?
Früher habe ich Antworten gegeben, heute stelle ich Fragen. Denn bereits mit der Art der Frage gebe ich ein Ergebnis vor. Für die Ergebnisse braucht es in einem Unternehmen sowohl rationale als auch emotionale Mitarbeiter. Es reicht nicht nur ein empathisch-emotionales Miteinander. Für eine gewisse Professionalität bedarf es auch rationale Menschen. Wichtig ist, dass die Zusammensetzung der Mitarbeiter ausgewogen ist.

Interview mit Bodo Janssen als PDF Datei