Angela, Jana und Elano

1. Wie genau funktioniert pferdegestütztes Coaching und was sind die Hauptziele dieser Methode?

Beim pferdegestützten Coaching geht es wie bei jeder anderen Coaching Methode um den Prozess der persönlichen Weiterentwicklung und der Selbsterkenntnis. Dabei spielt der Partner Pferd eine entscheidende Rolle. Das Pferd ist ein Fluchttier und von Natur aus darauf angewiesen, Gefahr ganz früh zu erkennen. D.h. Pferde sind darauf angewiesen sowohl innerhalb der Herde auf die Körpersprache der anderen als auch sehr fein auf ihre Umgebung zu reagieren. Gerade diese kleinen Wahrnehmungen müssen sie schnell in eine Bewegungsabfolge übermitteln, falls es zu einer Situation kommt, in der Flucht notwendig ist.

Genau wie bei ihren Herdenmitgliedern nehmen Pferde die kleinsten Hinweise von Menschen wahr, die wir teilweise als Coach gar nicht so fein aufnehmen können. Somit nehmen die Pferde im Coaching eine Vermittlerrolle für uns ein. Sie reagieren unvoreingenommen und unterscheiden nicht nach einem Rang, nach dem Status oder nach der Bedeutung eines Menschen und reagieren dadurch ganz unbeeinflusst auf die Impulse. Was unsere Erfahrung auch zeigt, ist, dass KlientInnen, die durch die Pferde gespiegelten Rückmeldungen oft besser annehmen können.

Um auf den zweiten Punkt der Frage nach den Hauptzielen zurückzukommen – das Ziel ist die Aktivierung von Ressourcen in unterschiedlichen Persönlichkeitsbereichen. Zum Beispiel die persönliche Weiterentwicklung, der Ausbau von Sozialkompetenzen oder Stärken der eigenen Fähigkeiten. Außerdem das Erkennen von persönlichen Verhaltensmustern wie Triggerpunkten.

Bei Erwachsenen und Führungskräften können weitere Aspekte, wie die Bewältigung persönlicher oder beruflicher Probleme und Krisen durch pferdegestütztes Coaching unterstützt werden.

Es geht also darum, mit dem Pferd in Interaktion zu treten und dabei die entstehenden Erlebnisse mit einer Selbstreflektion zu analysieren und die schlussendlich in den Alltag zu transferieren.

Eine Frage die häufig aufkommt ist, ob es Erfahrung mit Pferden braucht, oder geritten wird. beides können wir verneinen ☺.

2. Könnt Ihr ein konkretes Beispiel nennen, wie pferdegestütztes Coaching einer Führungskraft geholfen hat, ein spezifisches Problem oder eine Herausforderung zu meistern?

Sehr gerne. Beim pferdegestützten Coaching arbeiten wir erstmal mit Tools wie jeder andere Coach, z.B. „Konflikt Landkarte“, „Walt Disney Methode“ oder „Wege zum Ziel“. Insbesondere die letzte ist eine Methode, die wir sehr gerne nutzen. Und gerade in Bezug auf Führung zeigen sich oft zwei Aspekte. Das eine ist das Führen von Mitarbeitenden und das andere ist das Führen von sich selbst und somit dann auch die damit verbundene Vorbildfunktion. Deswegen kommen viele Führungskräfte mit Themen, die vor allem auch sie selbst beschäftigen. Als Führungskraft muss man oft Rede und Antwort stehen, das auch z.T. vor einem größeren Plenum.

Andere wiederum haben mit Präsentationsangst oder Lampenfieber zu kämpfen. Da eignet sich u.a. die Methode „Wege zum Ziel“. Das heißt, es wird ein Ziel definiert, wo will der Coachee hin und was ist sein derzeitiger Istzustand. Der Coachee steht beispielsweise am Punkt: „Ich habe in zwei Monaten eine Präsentation, auf einer Betriebsversammlung, da ist mein ganzes Team anwesend. Ich möchte performen, habe aber einen wahnsinnigen Respekt davor.“ Und das Ziel ist: „Ich möchte ruhig, gelassen und souverän, diese Präsentation halten.“

Dann wird mit dem Coachee gesprochen, „was sind deine Hindernisse? Was sind die Probleme, die du siehst?“ Die schreibt man auf Karten und lässt letztendlich diese auf dem Weg zum Ziel positionieren. Es kann sein, dass man 3-5 Stationen hat, wie z.B. Angst hinzufallen, Angst zu versagen und nicht mehr weiter reden zu können usw.

Es gibt also einen Startpunkt, die weiteren Stationen und einen Endpunkt. Diese läuft der Coachee dann mit dem Pferd ab. Somit kommt man mit dem Pferd in Bewegung, ist im Fluss und dadurch werden Dinge angestoßen. Als außenstehender Coach sieht man die Reaktion des Pferdes und auch die Reaktion des Coachee.

In einem Fall, als die Person vom Startpunkt zum ersten Hindernis gelaufen ist, wurde das Pferd z.B. ganz nervös, es ist um die Person gekreist, es konnte kaum stehen bleiben. Der Person hat man ebenfalls die Anspannung extrem angemerkt. Im nächsten Schritt geht man wie beim klassischen Systemischen Coaching mit Fragen tiefer in das Problem rein, bis die Themen abgearbeitet sind. Am Schluss stand die Person lachend da und meinte „ich hab’s gelöst, ich brauche einfach einen Notnagel.“ Das Pferd steht daneben, schnaubt ab, ist tiefenentspannt und bewegt sich nicht mehr. Und das ist schon ein sehr cooles Erlebnis, weil man dann auch merkt, wie der Coachee mit dem Pferd harmoniert hat. Das war eine sehr schöne Situation.

3. Welche Fähigkeiten und Erkenntnisse kannst Du als Führungskraft aus dem pferdegestützten Coaching mitnehmen?

Das ist zum einen der Ausbau von Sozialkompetenzen. Ich denk immer, wenn du in der Führungsebene bist, bist du von Menschen umgeben. Du führst sie, zeigst ihnen einen Weg und bist dazu gefordert, dich zwangsläufig auch mit sozialen Kompetenzen oder mit deinen eigenen Kompetenzen auseinanderzusetzen.

Dann geht es auch darum, Erkenntnisse zu gewinnen, zu erlangen oder sich in Bezug auf die eigene Persönlichkeit weiterzuentwickeln.

Wo die eigene Persönlichkeit stagniert und Weiterentwicklung vielleicht gar nicht gewünscht ist, erleben Mitarbeitende oft große Herausforderungen mit ihren Führungskräften. Eine Führungskraft jedoch, die Lust und Motivation mitbringt, sich selbst weiterzuentwickeln und Neues zu erkennen, inspiriert und zieht ihr Team mit. Persönlich würde ich viel lieber für jemanden arbeiten, der genau diesen Antrieb zeigt – das macht einen entscheidenden Unterschied.

Durch die Unterstützung beim Treffen von eigenen anstehenden Entscheidungen, lernt der Coachee zum einen sein aktuelles Thema zu lösen oder eine Entscheidung zu treffen sowie neue Ansätze und Wege kennen, wie Entscheidungen getroffen werden können.

Bei deinem Coaching war das damals auch ähnlich. Es ging um gute Entscheidungen. Vielleicht verändert man diesen Weg, vielleicht ist es nachher kein Weg, der geradeaus geht, sondern mehrere Richtungen hat.

Auch das Thema der Abgrenzung ist immer wieder aktuell. In der Zusammenarbeit mit dem Pferd und entsprechenden Coachingmethoden entwickeln Coachees oft ein besseres Gefühl, für sich selbst und gleichzeitig lernen sie sich von gewissen Dingen abzugrenzen.

Jeder von uns hat bestimmt irgendwo ein Thema. Das vielleicht primär noch gar nicht so prägnant ist, aber wenn man da so einen kleinen Schritt macht und einen weiteren kleinen Schritt und dann kommt der Punkt wo man zu sich sagt: „Hey cool, ich bin da irgendwie grad dran und noch cooler, wenn ich es dann aufgedeckt bekomme.“

Gerade als Führungskraft gibt oft es das Thema nonverbale Kommunikation. Also wie viel findet einfach unbewusst, ohne Worte statt?

Da hat man mit dem Pferd eine unglaublich tolle Reflektion. Diese nonverbale Kommunikation, derer wir uns oft gar nicht so bewusst sind. Da gibt uns das Pferd einen wunderbaren Spiegel, egal mit welchen Themen. Weil man es anschreien kann, einfach nur nebendran stehen, weinen, gar nichts machen – und es reagiert einfach immer.

Wir hatten z.B. schon Führungskräfte, da ist das Pferd erst mal gar nicht gelaufen. Da hat die Führungskraft gemeint ich trete jetzt dominant auf und ich zeig dem mal, wer hier der Chef ist. Und das Pferd denkt „Hey hallo, mit dir gehe ich nicht mit.“ Und das ist ganz spannend, dass man diese nonverbale Kommunikation durch die Pferde mitbekommt.

Und noch spannender ist es dann mit dem Coachee diese Erfahrung zu beleuchten, so dass er für sich seine Schlüsse daraus ziehen und in den Alltag transferieren kann – mit Fragen – kennst du solche Situationen mit deinen Mitarbeitern auch, dass sie dir nicht folgen? Was macht das mit dir? Hast du eine Idee, woran es liegen könnte.

Man bekommt es visuell mit durch das Pferd, das hat noch mal eine andere Tragkraft.

4. Wie kann pferdegestütztes Coaching die Teamdynamik und die Zusammenarbeit innerhalb Deines Unternehmens verbessern?

Für Teams eignen sich gut Teamparcours. Da ist das Pferd auch ein Teammitglied. Dabei werden alle über ein Seil, das sie gemeinsam halten sollen, visuell und haptisch miteinander verbunden. Es wird nichts drum rumgeschlungen oder irgendwo festgebunden, sondern wirklich nur gehalten. dann geht es darum, diesen Parcours zu meistern. Und es sind oft scheinbar wirklich einfache Übungen. Manche Gruppen verzweifeln an der manchmal einfachsten Aufgabe. Sie machen den Parcours zu Ende, bekommen dann Zeit, sich zu besprechen und dann gibt es Gruppen, die machen genau das Gleiche noch mal.

Und dann gibt es aber auch andere, die schon beim ersten Durchlauf gemerkt haben: „Hey okay, was hat denn der Einzelne eigentlich hier grad für eine Stärke und wie können wir diese Stärke gut einsetzen, damit wir diese Aufgabe gut meistern können?“

Es ist eine großartige Methode, um Teams in ein Gespräch untereinander zu bekommen.

Was sich auch zeigt, ist, dass jeder auch sehr authentisch ist, denn im Umgang mit dem Pferd kann sich keiner verstellen. Als Coach bekommt man das Gefühl, dass z.B. Rollen, die man angenommen hat und durch die man manchmal, wie eine Maske aufzieht, abfallen. 
Im abschließenden Reflektionsgespräch, wird dann aufgearbeitet, was war das Thema, was habt ihr gemerkt, was habt ihr wahrgenommen? Und wie könnt ihr das auf die Arbeit, auf das Tagesgeschäft transferieren. Was können wir tun, dass jeder seine Stärke optimal nutzen kann, dass das Team optimal und effizient arbeiten kann. So, dass das Ganze dann schlussendlich eine runde Sache ist.

In der Regel sollte das Coaching einen halben Tag gehen, um ausreichend Zeit zu haben, besser noch sechs Stunden oder mehr. So dass man zwischendrin auch eine Pause machen kann, weil die Erkenntnisse teilweise nachwirken. Solche Momente, wo man wirklich in sich gehen kann, sind sehr wichtig.

Im Endeffekt ist es entscheidend, welche Anforderungen das Team hat. Ist es Teambildung, geht es auch mit 2-3 Stunden, weil man dann einfach diesen Spaßfaktor des Miteinanders gestaltet. Aber wenn man wirklich das Team besser verstehen, die verschiedenen Rollen verstehen möchte oder gar ein Team hat, wo Konfliktpotential vorhanden ist, dann muss man sich den Zeitraum von einem halben Tag einplanen.

Wir haben da unterschiedliche Möglichkeiten. Wir starten zum Beispiel manchmal auch mit einem Escape-Spiel. Da kriegt jeder Teilnehmende schon mal ein Gefühl dafür. Da ist das Pferd eher erst ein Randthema. Einfach zu starten und zu schauen wie agieren denn die Leute miteinander? Und dann hat man eben diese Pause, die unglaublich wichtig ist, um zu reflektieren, alles sacken zu lassen. Und erst dann startet Gruppenintervention mit dem Pferd und auch da gibt es dann verschiedene Staffelungen.

5. Wie lässt sich pferdegestütztes Coaching in ein bestehendes Führungskräfteentwicklungsprogramm integrieren?

Bei der Arbeit mit dem Pferd fängt man „bei null“ an, weil jeder Kunde ein bisschen anders tickt.
Wenn Du sagst: „Ich möchte die individuelle Führungskraft in bestimmten Stärken oder Themen entwickeln“, lässt sich das gezielt einbinden. Gleichzeitig kann man auch eine Gruppe mit einem gemeinsamen Thema zusammenbringen. So hatte ich zum Beispiel Erzieherinnen bei mir und habe ein Programm gestaltet, das über vier Einheiten à drei Stunden ging. Das Thema war Ängste, speziell nach Corona.

Wie wahrscheinlich alle Coaches arbeiten wir vor allem mit positiven Affirmationen. Das bedeutet, dass wir nicht mit dem Thema Angst beginnen, sondern von Anfang an die Ressourcen und Stärken in den Vordergrund stellen. In diesem Fall haben wir das Thema sukzessive aufgebaut, beginnend mit Fragen wie „Was sind eigentlich Stärken?“, „Wo kommen sie her?“, „Was bedeuten Ziele und wie definiert man sie?“ Ziel ist es, den Fokus schrittweise von der Angst zur Stärke zu verschieben. So entsteht ein individueller Prozess, der die persönliche Entwicklung stärkt und eine positive Dynamik im Coaching ermöglicht.

Wichtig ist, dass klar wird, dass wir keine „Zauberer“ sind. Auch wir wissen nicht im Voraus, wie schnell Fortschritte im Team erzielt werden. Manchmal, wie bei der Führungskraft, die nur den letzten Anstoß brauchte, kann eine einzige Session schon den entscheidenden Unterschied machen. Wenn jedoch bereits verkrustete Strukturen oder tiefsitzende Themen vorhanden sind, insbesondere in einem Team, wird das oft nicht in einer Sitzung gelöst. In solchen Fällen braucht es möglicherweise nach dem initialen Teambuilding auch Einzel-Sessions für diejenigen, bei denen spezifische Themen hochgekommen sind, die eine individuelle Begleitung erfordern.


Als Audio anhören:

Angela und Jana bieten ihr pferdegestütztes Coaching in einer wunderbaren Umgebung an. 
Mehr Infos gibt’s hier.